
Ein kurzer Händedruck, kaum richtig Platz genommen. Und sofort geht’s los. Heinz Krapf ist direkt in seinem Element. Es sprudelt aus ihm heraus. Er hat Erinnerungsstücke mitgebracht und persönliche Aufzeichnungen. Man merkt gleich, hier ist jemand mit viel Leidenschaft bei seiner Leidenschaft. Seine Leidenschaft, das ist: Der Club. Und das seit vielen Jahrzehnten. Heinz Krapf ist heute 86 Jahre alt und „Cluberer seit ewigen Zeiten“. Er ist in Nürnberg geboren und hier zur Schule gegangen. Er ist in Nürnberg aufgewachsen und hat hier gearbeitet. Er lebt natürlich bis heute in Nürnberg. Er ist das, was man einen echten Nürnberger nennt. Und ein echter Nürnberger ist eben auch: eine echter Cluberer. Wenauer mit den drittmeisten FCN-Einsätzen Dabei verbindet Krapf mit dem Club weitaus mehr, als „nur“ Fan des FCN zu sein. In den 60er Jahren war er näher dran an den Meistermannschaften 1961 und 1968 des Club als viele andere. Der Grund: „Ich bin mit Nandl Wenauer zur Schule gegangen und er war bis zu seinem Tod mein bester Freund.“ Als 15-Jähriger kam Ferdinand, genannt „Nandl“, Wenauer Mitte der 50er Jahre zum Club und wurde zu einem der großen Cluberer der 125-jährigen Vereinsgeschichte. 1961 war er Teil der Meistermannschaft, 1962 wurde er mit dem FCN Pokalsieger und 1968 führte er den Club als Kapitän zur neunten und letzten Meisterschaft. Trotz einiger lukrativer Angebote, unter anderem von Real Madrid, blieb Wenauer dem Club bis zu seinem Karriereende Anfang der 70er Jahre treu und blickte am Ende auf über 700 Einsätze für den FCN zurück. In 125 Jahren standen nur Max Morlock und Luitpold Popp häufiger im Club-Trikot auf dem Feld. Im Jahr 1992 verstarb Wenauer im Alter von nur 53 Jahren viel zu früh. "Merkel war der Schlüssel" Heinz Krapf denkt noch gerne an seinen besten Freund und an die erfolgreichen Zeiten des Club. „1961 Meister, 1962 Pokalsieger und 1968 Meister – Nürnberg war in den 60er Jahren schon ein Aushängeschild des deutschen Fußballs.“ Dabei schien der Club zwischenzeitlich nicht mehr an die Erfolge von 1961 und 1962 anknüpfen zu können. In der Bundesliga-Gründungssaison 1963/64 reichte es nur zu Platz 9, in der Spielzeit 1966/67 drohte als zwischenzeitlicher Tabellenletzter sogar der Abstieg. Doch dann kam Max Merkel. Der Österreicher übernahm den Club im Januar 1967, führte die Mannschaft um Wenauer, Strehl und Co. noch ins Mittelfeld und nahm den Schwung auch in die neue Saison mit. „Max Merkel hat einfach Zug in die Mannschaft gebracht“, erklärt Krapf, warum aus einem Abstiegskandidaten binnen weniger Monate ein Titelanwärter wurde. „Er war ein harter Hund und hat mit Zuckerbrot und Peitsche regiert. Das war das, was die Mannschaft gebraucht hat. Er war der Schlüssel“, so Krapf. „Nandl hat rückblickend immer gesagt, dass das der beste Trainer war, den er hatte.“ "Ein verschworener Haufen" Angetrieben von Merkel marschierte der Club durch das Spieljahr, kletterte bereits am 4. Spieltag an die Tabellenspitze und gab diesen Platz bis zum Saisonende nicht mehr her. „Es ist in dieser Saison schnell eine Euphorie entstanden, in der Stadt und auch in der Mannschaft“, blickt Krapf zurück. „Druck hat sich von den Spielern aber trotzdem keiner gemacht. Die haben einfach drauf losgespielt.“ Und: „Das war ein verschworener Haufen. Viele haben sich schon ganz lange gekannt und waren echte Freunde. Da ist nach dem Training keiner alleine nach Hause. Entweder sind sie nach dem Training noch sitzen geblieben oder es ging dann gemeinsam irgendwohin“, verrät Krapf, der bisweilen auch mit dabei war. „Wir sind schon ganz gerne mal um die Häuser gezogen“, schmunzelt er. „Wenn die Club-Spieler irgendwo aufgelaufen sind, war das schon ein ‚Hallo‘. Auch wenn das nicht immer unbedingt jedem gefallen hat, dass die Mädchen dann plötzlich um die Club-Spieler rumgeschwanzelt sind“, sagt Krapf und grinst. „Es waren halt auch ein paar Schlawiner dabei.“ Wenn die Spieler allerdings auf dem Platz standen, ging’s ums Gewinnen. „Nandl hat als Kapitän schon das Ruder in der Hand gehabt. Und Nandl konnte nicht verlieren, auch im Training nicht“, erzählt Krapf. „Der hat den Leuten schon in den Hintern getreten, wenn Kasperle gemacht wurden.“ Großer Bahnhof In der Saison 1967/1968 war das allerdings kaum nötig. Der Club marschierte in beeindruckender Manier durch die Spielzeit und machte mit einem 2:0-Erfolg in München am vorletzten Spieltag die Meisterschaft perfekt. Nach der Rückkehr im Zug wurden die Meisterhelden am Bahnhof in Nürnberg empfangen, nach dem abschließenden Heimspiel eine Woche später ging’s im Autokorso durch die Stadt und zur großen Feier auf den Hauptmarkt. Es sollte die letzte Meisterfeier in Nürnberg bleiben. Im Jahr darauf stieg der Club als Titelträger in die 2. Liga ab und kehrte erst Ende der 70er Jahre wieder in die Bundesliga zurück. Heinz Krapf hat das und auch die folgenden Aufs und Abs des FCN hautnah miterlebt. Er gab auf Weihnachtsfeiern der Mannschaft den Weihnachtsmann und verfasste für die Spieler über viele Jahre hinweg den „Fehlpass“, eine Art inoffizielle Vereinszeitung. Er organisierte 1982 auf Bitten des damaligen Club-Trainers Udo Klug die Vereinsfeier anlässlich des Pokalfinales in Frankfurt und wurde in den 80er Jahren von seinem Arbeitgeber, der Nürnberger Versicherung, „ehrenamtlich zur besonderen Verwendung abgestellt, um den Druck der Eintrittskarten für die Club-Spiele zu organisieren“. Bis heute verfasst und hält Heinz Krapf zu besonderen Anlässen Laudationen für langjährige Club-Wegbegleiter. Mit einigen Meisterspielern und ehemaligen FCN-Akteuren trifft er sich noch immer regelmäßig zum Stammtisch. Dann ist er in seinem Element. Denn seine Leidenschaft, das ist eben schon immer: Der Club.