
Fast jeder zweite Bundestagsabgeordnete hat Nebeneinkünfte. Bei Art und Umfang der Geldquellen gibt es große Unterschiede, wie eine Auswertung zeigt. Die Umsätze liegen bei einigen Parlamentariern sogar in Millionenhöhe. Wer am meisten nebenbei verdient, lässt sich dennoch nicht sagen.
In den Bundestagsfraktionen der Union und FDP ist der Anteil der Parlamentarier mit Nebenjob laut einem Medienbericht besonders hoch. Nach einer Auswertung der veröffentlichungspflichtigen Angaben auf bundestag.de durch den "Spiegel" und die Transparenzinitiative Abgeordnetenwatch hat insgesamt fast die Hälfte aller Bundestagsabgeordneten in der laufenden Wahlperiode Nebeneinnahmen bezogen. In der Unionsfraktion haben 63 Prozent der Mitglieder Nebeneinnahmen angegeben (123 von 196), bei der FDP 59 Prozent (54 von 91).
Bei der SPD waren es demnach 43 Prozent (90 von 207), in der BSW-Gruppe 40 Prozent (4 von zehn). Bei der Linken gaben laut Bericht 36 Prozent Nebeneinnahmen an (10 von 28), bei den Grünen 32 Prozent (38 von 117) und bei der AfD 22 Prozent (17 von 77).
Mandat muss im Mittelpunkt stehen
Der Auswertung zufolge haben insgesamt 337 der aktuell 733 Bundestagsmitglieder angegeben, mindestens eine Zahlung erhalten zu haben, die im Zusammenhang mit Tätigkeiten und Funktionen neben dem Mandat stehen oder auf Unternehmensbeteiligungen, Spenden oder Reisekostenübernahmen zurückgehen. In vielen Fällen handelt es sich um regelmäßige Einnahmen.
Abgeordnete erhalten nach Parlamentsangaben monatliche Diäten in Höhe von derzeit 11.227,20 Euro. Das Abgeordnetengesetz erlaubt explizit Nebentätigkeiten und Einkünfte daraus, solange das Bundestagsmandat "im Mittelpunkt der Tätigkeit" steht und Nebenjobs offengelegt werden.
Ex-Minister hat nebenbei elf Funktionen
Zusätzlich zu den monatlichen Diäten hat zum Beispiel der CSU-Politiker Hans-Peter Friedrich Einnahmen aus Nebentätigkeiten. Diese beliefen sich in der aktuellen Wahlperiode auf knapp 207.000 Euro, schreibt der "Spiegel". Demnach hat der frühere Innenminister mehrere Nebentätigkeiten: als Anwalt etwa habe Friedrich im aktuellen Jahr mehr als 32.000 Euro eingenommen. Seit der letzten Wahl habe er Funktionen in elf Vereinen, Verbänden und Stiftungen gehabt, heißt es weiter. So bekomme Friedrich monatlich 3680 Euro brutto als Beiratsmitglied bei einer unternehmensnahen Stiftung, die medizinische Forschung fördert und Immobilien verwaltet. Genannt wird auch die Summe von etwa 14.000 Euro jährlich, die er von einer Versicherung für einen Aufsichtsratsposten kassiere.
Dem Bericht zufolge hat Friedrich, der seit 1998 im Bundestag sitzt und nicht erneut kandidieren will, in dieser Legislaturperiode im Plenum noch keine einzige Rede gehalten. Einer Bitte um Stellungnahme kam Friedrich dem Bericht zufolge nicht nach.
Gysi verweist auf Wochenendarbeit
Das ist bei Gregor Gysi anders. Der Linke-Politiker Gregor Gysi habe in der laufenden Wahlperiode mehr als 450.000 Euro durch Nebentätigkeiten erhalten, erklären Abgeordnetenwatch und "Spiegel". Die Gelder bekam er unter anderem für Vorträge, Buchbesprechungen, Podiumsdiskussionen und Moderationen. Die Rede ist von 120 solcher Termine. Doch steht das Mandat dann noch im Mittelpunkt? Seine Nebenjobs fänden im Wesentlichen an Wochenenden, am Abend und in sitzungsfreien Wochen statt, argumentiert Gysi gegenüber dem "Spiegel". Doch auch Gysi zählt wohl bei Weitem nicht zu den Spitzenverdienern.
Die höchsten Nebeneinnahmen hat der Auswertung zufolge der CDU-Politiker Albert Stegemann angegeben. Stegemann ist auch Landwirt. Laut dem Bericht lag die Summe seiner Umsätze bis zum Stichtag am 30. September bei 7,9 Millionen Euro. Die Einnahmen stammten überwiegend aus dem Verkauf von Kuhmilch. Dem Magazin sagt Stegemann, sein Fokus liege auf seiner "Tätigkeit als Abgeordneter, auch wenn ich natürlich Landwirt bin und bleibe".
Umsatz ist nicht Gewinn: Vergleiche sind kaum möglich
Sein Fall zeige allerdings die Unschärfe der Transparenzregeln auf, schreibt der "Spiegel". Denn als Landwirt gebe Stegemann seinen Umsatz an - davon gehen aber noch Steuern und Betriebskosten ab. Die Höhe des tatsächlichen Gewinns bleibt unklar. Demgegenüber stünden Abgeordnete wie Gysi mit Einnahmen aus Buch- und Vortragshonoraren, die lediglich noch versteuert werden. Bei unbekannten Ausgaben und Gewinnen ist ein Vergleich somit schwierig.
Auf dem zweiten Platz im Ranking der höchsten Nebeneinkünfte steht der CSU-Politiker Sebastian Brehm. Der Geschäftsführer mehrerer Steuerberatungsgesellschaften habe dem Bundestag etwa 7,1 Millionen Euro Umsatz gemeldet. Allerdings gingen davon noch Steuern, Personal- und Sachkosten ab, heißt es weiter. Brehm kritisiert die Transparenzregeln demnach seit Jahren. Sie würden das reale Bild verfälschen, weil tatsächliche Einkommen einiger Politiker neben dem Umsatz anderer stehen. Wie hoch seine tatsächlichen Einkommen sind, will er jedoch nicht verraten.
Unternehmensbeteiligungen bringen Geld ein
Es gibt auch Fälle, in denen Politikerinnen oder Politiker jährlich hohe Gewinnausschüttungen aus Unternehmen erhalten. Auf Platz fünf im Ranking wird die Grünen-Politikerin Ophelia Nick mit 2,9 Millionen Euro angeführt. Demnach ist sie Erbin des Heidenheimer Maschinenbaukonzerns Voith. An operativen Unternehmensentscheidungen sei sie jedoch nicht beteiligt. Die Voith-Kapitalbeteiligungen stünden "in keinem Zusammenhang mit ihrer täglichen Arbeit", erklärt die Parlamentarische Staatssekretärin beim Landwirtschaftsministerium dem Bericht zufolge.
Auf Nick folgt auf dem sechsten Platz der FDP-Politiker Carl-Julius Cronenberg mit 2,1 Millionen Euro. Auch er erhalte jährliche Gewinnausschüttungen. Cronenberg sei in eine Unternehmerfamilie hineingeboren worden. "Alle geschäftsführenden Tätigkeiten im Zusammenhang mit unserem Familienunternehmen habe ich seit Annahme des Mandats ruhend gestellt", wird er zitiert. Einen Interessenkonflikt bei der Ausübung ihres Mandats sah keiner der Befragten.