
In Österreich wird eine Koalition aus ÖVP und SPÖ wahrscheinlicher - vermutlich unter Beteiligung der Neos. Eine Sondierung mit dem Wahlsieger FPÖ bestärkt die Konservativen unter Nehammer in ihrer Ablehnung. Man dürfe Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen.
Österreichs amtierender Kanzler Karl Nehammer hat eine Koalition mit der rechten FPÖ unter Führung von Parteichef Herbert Kickl erneut ausgeschlossen. Koalitionsverhandlungen zwischen Nehammers konservativer ÖVP und der sozialdemokratischen SPÖ werden nun immer wahrscheinlicher. Er werde nicht "den Steigbügelhalter für Herbert Kickl" machen, sagte Nehammer nach einem ersten Sondierungstreffen. Das Gespräch hatte auf Wunsch von Bundespräsident Alexander Van der Bellen stattgefunden. Dies sei keine Frage der Sympathie, sondern eine Frage des "politischen Tuns". Kickl sei nicht bereit, Verantwortung zu übernehmen, sagte Nehammer weiter.
Die FPÖ erhebt nach ihrem Sieg bei der Parlamentswahl Ende September den Kanzleranspruch. Die Rechten werben für eine Koalition mit Nehammers konservativer ÖVP, die auf den zweiten Platz verwiesen wurde. Auch keine andere Partei möchte mit der FPÖ zusammenarbeiten.
Nehammer betonte, dass er die Sorgen der FPÖ-Wähler bezüglich Sicherheit, Migration und dem politischen Islam teile. Lösungen müssten jedoch im Einklang mit der Rechtsstaatlichkeit umgesetzt werden. Dabei gelte es, "aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen, auch den dunkelsten Stunden, die Österreich erlebt hat", sagte er. Kickls "Rhetorik ist geprägt von Angst und Radikalisierung." Der ÖVP-Chef erinnerte etwa an Kickls wohlwollende Haltung gegenüber der Identitären Bewegung, die vom österreichischen Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wird.
Zuletzt hatten ÖVP und FPÖ zwischen 2017 und 2019 gemeinsam regiert. Damals sei Kickl als Innenminister für die Zerschlagung der Verfassungsschutzbehörde verantwortlich gewesen, sagte Nehammer. Den Interessen Russlands sei dadurch ein "Einfallstor geöffnet" worden. Die FPÖ gilt nicht zuletzt wegen ihrer Ablehnung der kriegsbedingten Sanktionen gegen Russland als Moskau-freundlich.
Am morgigen Mittwoch trifft Nehammer den Chef der sozialdemokratischen SPÖ, Andreas Babler, zu einem weiteren Sondierungsgespräch. Eine Koalition zwischen diesen beiden Parteien, möglicherweise zusammen mit den liberalen Neos, gilt derzeit am wahrscheinlichsten.
Weil keine Partei mit der FPÖ koalieren will - die ÖVP zumindest dann nicht, wenn Kickl die Aussicht hat, Kanzler zu werden - war Van der Bellen von der Tradition abgewichen und hatte dem Wahlsieger kein offizielles Mandat zur Regierungsbildung erteilt. Angesichts der Aussichtslosigkeit hatte er vielmehr allen Parteichefs aufgegeben, sich selbst um eine Mehrheit zu bemühen.
Kickl reagierte darauf mit scharfer Kritik. Eine Regierungskoalition ohne FPÖ bezeichnete er als grobe Missachtung des Wahlergebnisses. Er schlägt ein Bündnis mit der ÖVP vor, notfalls auch ohne Nehammer. Doch die ÖVP-Spitze machte wenige Tage nach der Wahl klar, dass Nehammer die volle Unterstützung der Partei habe. Kickl wiederum betont, dass es die FPÖ in der Regierung nur unter seiner Führung geben wird.