Friedrich Merz: Was kann jetzt noch schiefgehen? Der Fahrplan zur Kanzlerwahl

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Der Kanzlerwahl steht nichts mehr im Weg, nachdem die SPD-Basis den Weg für Schwarz-Rot freigemacht hat. Doch noch ist Friedrich Merz nicht am Ziel. Der Fahrplan.

Auf den Tag genau sechs Monate, nachdem die vorherige Regierung aus SPD, Grünen und FDP zerbrochen ist, soll Deutschland wieder eine handlungsfähige Regierung mit eigener Mehrheit bekommen. Am Dienstag, dem 6. Mai, stellt sich Friedrich Merz den Abgeordneten des Bundestags zur Wahl. Der CDU-Politiker ist seinem Ziel, der zehnte Kanzler der Bundesrepublik zu werden, zum Greifen nah. "Dann können wir in einer neuen Regierung endlich neu anfangen, die Probleme unseres Landes Schritt für Schritt zu lösen", sagte der 69-Jährige kürzlich. 

Was soll da noch schiefgehen? 

Vorsicht!

Die vorletzte große Hürde ist genommen: Die SPD-Mitglieder haben am Mittwoch offiziell gebilligt, als Juniorpartner in die kleinste Große Koalition der Geschichte einzutreten. Doch bevor Merz' Traum vom Kanzleramt wahr wird, stehen noch ein paar zentrale Termine an – und möglicherweise einige Überraschungen. Das ist der Fahrplan.

Das Wochenende: Personalpoker und Pläne für eine verkürzte Pause

Die SPD-Führung zurrt ihr Personaltableau fest: Wer wird was bei Schwarz-Rot? Partei- und Fraktionschef Lars Klingbeil soll die Mannschaftsaufstellung federführend übernehmen, die Namen werden am Montag offiziell verkündet. Klingbeil selbst plant als Vizekanzler und Bundesfinanzminister ins Merz-Kabinett zu gehen. Es könnten harte Gespräche werden: Es gibt zu viele Sozialdemokratinnen und -demokraten, die was werden wollen, aber zu wenige Top-Posten. Die Parität und der Proporz von Landesverbänden wie Flügelzugehörigkeit und Geschlecht spielen dabei ebenso eine Rolle.

Auch in der künftigen Kanzlerpartei CDU sortiert man sich, und das offenbar schon für die erste gemeinsame Kabinettssitzung mit dem künftigen Koalitionspartner: Laut "Politico" könnte diese am Dienstagnachmittag stattfinden, wenn alle Ministerinnen und Minister vereidigt sind. Das Signal wäre klar: Schwarz-Rot macht sich unverzüglich an die Arbeit. Folglich dürfte man auch im regen Austausch über eine verkürzte Bundestags-Sommerpause im Gespräch bleiben. Die hatte Thorsten Frei, künftiger Kanzleramtschef und bisheriger Unionsfraktionsmanager, ins Spiel gebracht. 

Montag: SPD-Minister, Koalitionsvertrag und Scholz-Abschied

Um zwölf Uhr wollen CDU, CSU und SPD ihren Koalitionsvertrag im Gasometer in Berlin-Schöneberg unterzeichnen. Vorher stellen die Sozialdemokraten offiziell ihre Ministerinnen und Minister vor, voraussichtlich im Willy-Brandt-Haus, der Parteizentrale. Die Kurz-vor-knapp-Kabinettsliste lässt einige Überraschungen und mögliche Kontroversen erwarten. Auch dürfte es Hinweise darauf geben, wenn nicht sogar Namen, wie sich Partei und Fraktion künftig aufstellen.

Am Nachmittag, nach der Unterzeichnung des schwarz-roten Vertragswerks, kommen die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD jeweils zu Sitzungen zusammen. Bei der Union geht’s um 15 Uhr los. Dann soll Jens Spahn zum neuen Fraktionsvorsitzenden gewählt werden – er folgt auf Fast-Kanzler Friedrich Merz – und Steffen Bilger zum Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer, der das Amt vom designierten Kanzleramtschef Thorsten Frei übernimmt. Die Vorsitzenden der Bundestagsausschüsse sollen erst in den kommenden Wochen bestimmt werden.

Um 17.30 Uhr beginnt die SPD-Fraktionssitzung. Dort dürften auch die Sozialdemokraten erste personelle Entscheidungen treffen: Schließlich wird der Fraktionsvorsitz mit Klingbeils Wechsel ins Kabinett vakant. Aber werden die Genossen auch einen prominenten Besucher empfangen: Friedrich Merz? 

So hatte es 2005 jedenfalls Angela Merkel gehandhabt. Am Vorabend ihrer Wahl im Bundestag besuchte Merkel die SPD-Bundestagsfraktion, in der es viele Skeptiker gab. Ihr gelang es, das Eis zu brechen, unter anderem mit der Ansage, sie sei nicht nur für die Union da, sondern auch für die SPD-Abgeordneten. "Wenn Sie mal ein Problem oder eine Frage haben, wenden Sie sich bitte nicht über die Zeitung an mich. Gehen Sie zu Ihrem Fraktionsvorsitzenden, und wenn der sagt, Sie sollen zu mir gehen, dann tun Sie das auch." 

Am späteren Abend, etwa ab 21 Uhr, wird der geschäftsführende Kanzler Olaf Scholz von der Bundeswehr traditionell mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedet. Die Militärzeremonie gilt als die höchste Würdigung, die deutsche Streitkräfte einer Zivilperson zuteilwerden lassen. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius, SPD, wird eine Rede halten, ebenso der Kanzler selbst. 

Highlight jedoch ist die sogenannte Serenade, bei der bis zu vier Musikstücke für die geehrte Person gespielt werden. Für welche Lieder sich Scholz entscheidet, ist noch unklar. Seine Amtsvorgängerin Angela Merkel wünschte sich bei ihrem Großen Zapfenstreich etwa "Du hast den Farbfilm vergessen" von Nina Hagen.

Dienstag: die Kanzlerwahl – aber mit wie vielen Wahlgängen?

Am Dienstag heißt es für die Abgeordneten von Union und SPD: früh aufstehen, es ist schließlich ein großer Tag. Um 8 Uhr kommen die Fraktionen jeweils zu einer Sitzung zusammen. Voraussichtlich um 9 Uhr soll dann die Bundestagssitzung beginnen. Zentraler Programmpunkt: die Kanzlerwahl.

Merz muss noch zittern. Denn um gewählt zu werden, benötigt er eine sogenannte Kanzlermehrheit, also die Mehrheit aller Stimmen der in den Bundestag gewählten Abgeordneten. Union und SPD liegen nur 12 Stimmen über dieser Marke. Denkbar knapp, bedenkt man mögliche Ausfälle durch Krankheit oder sogar Abweichler – denn der erste von drei möglichen Wahlgängen findet geheim statt, nicht namentlich.  

In Union und SPD sieht man derzeit keinen Anlass zur Sorge. Doch was, wenn einige Abgeordnete ein Zeichen setzen wollen? Enttäuschte gibt es in beiden Fraktionen – sei es wegen des Koalitionsvertrags oder weil man bei der Vergabe der Posten leer ausgegangen ist. Und schließlich ist man als Abgeordneter lediglich seinem Gewissen verpflichtet. Es wäre das erste Mal, dass ein Bundeskanzler nicht im ersten Anlauf auf die nötige Mehrheit kommt.

Auf Unterstützung durch die Grünen jedenfalls braucht Merz nicht zu hoffen. Parteichef Felix Banaszak hat bereits deutlich gemacht, dass der Kanzler in spe besser nicht auf Stimmen der Grünen-Fraktion bauen sollte: Merz habe sich in den vergangenen Wochen, außer als es um die Verabschiedung des Schuldenpakets ging, nicht gerade um die Stimmen der Grünen bemüht. Falls Merz im ersten Wahlgang die nötige Mehrheit nicht erreicht, muss innerhalb von zwei Wochen ein zweiter Wahlgang stattfinden, so ist es im Grundgesetz geregelt.

Geht alles glatt, werden erst Merz, dann die künftigen Ministerinnen und Minister im Schloss Bellevue erwartet, wo Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Kanzler und sein Kabinett ernennt. Schließlich nochmal zurück in den Bundestag, um den Amtseid zu schwören. Und dann geht's los.