
Nach einem Telefonat zwischen Trump und Putin sollen Russland und die Ukraine unverzüglich verhandeln. Trump zeigt sich gelöst, während Experten warnen: Der Kreml scheint den Krieg fortsetzen zu wollen.
"Endlich!" - das ist die Essenz des Social-Media-Posts, in dem US-Präsident Donald Trump über sein Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin berichtet: Endlich reden sie miteinander, endlich Frieden, endlich geht es um Geschäfte, endlich kein Blutvergießen mehr.
Wörtlich schrieb Trump auf seiner eigenen Plattform: "Ich glaube, es ist sehr gut gelaufen." Russland und die Ukraine würden "unverzüglich" miteinander verhandeln. Seinen Optimismus gründet Trump offenbar auf die wirtschaftlichen Ambitionen Russlands. Putin wolle mit den USA "in großem Umfang Handel treiben", so Trump. Er habe die Staatschefs der Ukraine, Deutschlands, Frankreichs und Italiens bereits informiert. Papst Leo XIV. habe angeboten, die Friedensgespräche könnten im Vatikan stattfinden. "Lasst die Verhandlungen beginnen", endet Trumps Post.
Endlich. Nach all dem Sterben, den Waffenlieferungen, den Forderungen doch endlich zu reden, statt zu schießen. Endlich Verhandlungen. Nachdem Trump schon vergangene Woche den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyi mehr oder weniger nach Istanbul beordert hatte, wo er erstmals mit Putin zusammentreffen sollte. Aber Putin blieb dem Treffen fern. Stattdessen ließ er die ukrainische Hauptstadt Kiew von Hunderten Drohnen angreifen. Eine Attacke, die selbst in diesem blutigen Krieg bis dahin beispiellos war.
Wohl auch darauf bezog sich US-Vize Vance, als er vor Trumps Telefonat mit Putin sagte, man befinde sich in einer Sackgasse. Ob Trump den Weg aus dieser Sackgasse gefunden hat, daran lässt Putins bisherige Taktik zumindest Zweifel zu: Er ließ immer wieder deutlich erkennen, wie wenig ihm an direkten Verhandlungen mit der Ukraine liegt, bezeichnete die Kiewer Regierung als verhandlungsunfähig, immer wieder verzögerte er Fortschritte auf diplomatischem Parkett. Auch seine Äußerungen nach dem Telefonat mit Trump klingen weit weniger nach "endlich" als vielmehr nach "womöglich".
"Das ist die Chiffre"
Ein gehaltvolles und nützliches Gespräch sei das gewesen, befand Putin. Gute zwei Stunden habe man sich ausgetauscht. Das Ergebnis: Russland sei bereit, mit der Ukraine ein Memorandum zu erarbeiten, das einen Waffenstillstand beinhalten könne. Dazu nötig seien Kompromisse, die allen Seiten gerecht werden. "Das Wichtigste für uns ist, die Ursachen dieser Krise zu beseitigen", sagte Putin.
Rainer Munz, ntv-Russland-Experte, hält das für den entscheidenden Satz in Putins Aussage: "Das ist die Chiffre dafür, dass Russland seine maximalen Ziele durchsetzen will." In welche Richtung Putin denkt, zeigen die Ergebnisse der Verhandlungen vergangene Woche in Istanbul: In Putins Abwesenheit verlangte Russland, die Ukraine solle die Krim, sowie die Oblaste Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischschja abtreten. Und das möglichst schnell, die nächste Forderung werde bereits sechs Oblaste umfassen. Außerdem müsse die Ukraine ihr Militär auflösen.
Der österreichische Oberst Markus Reisner sagte im Gespräch mit ntv.de, er schließe daraus vor allem eines: "Putin nutzt die Gespräche, um bei vorgetäuschter Verhandlungsbereitschaft an der Front voranzuschreiten, damit das Weiße Haus ihn nicht fallen lässt." Reisner verwies auf Berichte, Putin wolle erst im Oktober weiterverhandeln - "also nach der Sommeroffensive, die möglicherweise weitere Ergebnisse zugunsten Russlands bringt."
Trumps Hoffnung ist nur zu verständlich. Auch in Europa wünschen sich viele, dass der Krieg in der Ukraine ein Ende findet. Von den Menschen in der Ukraine ganz zu schweigen. Nur, wenn die Hoffnung auf Frieden davon ablenkt, dass der Krieg weitergeht, schadet sie mehr, als sie nützt. Der CDU-Verteidigunspolitiker Roderich Kiesewetter sagte der ARD, bisher seien die Gespräche nur "Simulation". Putin wolle den Krieg fortsetzen, weil ihm aus außer marginalen Sanktionen Europa nichts drohe.