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Die US-Notenbank Fed hat den Forderungen von Präsident Trump nach Zinssenkungen erneut getrotzt. Damit demonstriert sie auch ihre Unabhängigkeit - nur zu welchem Preis?
Die Währungshüter um Fed-Chef Jerome Powell haben den Leitzins gestern Abend in einer einstimmigen Entscheidung in der Spanne von 4,25 bis 4,50 Prozent belassen. Das klingt erst einmal wenig spannend. Doch in diesem Nichtstun der US-Notenbank liegt eine wichtige Botschaft.
Der Elefant im Raum heißt Trump
Denn der große Elefant im Raum war auch bei diesem Zinsentscheid Donald Trump. Der US-Präsident hatte Powell zuletzt häufig verbal attackiert; erst vor wenigen Tagen drängte er den Fed-Chef erneut, die Zinsen zu senken. Das zögerliche Vorgehen der Fed ist dem selbsternannten "Niedrigzinstyp" Trump ("low interest guy") ein Dorn im Auge, hatte er doch noch im Wahlkampf Zinssenkungen versprochen, "wie Sie sie noch nie zuvor gesehen haben".
Auf der Pressekonferenz zeigte sich Powell dann "sichtlich bemüht, keinerlei Aussagen zu treffen, die ihm weitere Kritik einbringen könnte", wie Commerzbank-Devisenexperte Michael Pfister betont. "Lediglich einmal rutschte er aus seiner Rolle, als er darauf hinwies, dass die Fed der Fiskalpolitik keine Tipps zu geben hat, wie sie das Defizit reduziert, ähnlich wie sich die Geldpolitik auch keine Ratschläge aus der Fiskalpolitik erhofft."
Fed-Chef demonstriert Unabhängigkeit
Der Fed-Chef betonte überdies, die Zwischenrufe aus dem Weißen Haus hätten keinen Einfluss auf die Arbeit der Zentralbank: "Wir sind in einer guten Position um abzuwarten und haben es nicht eilig." Die gestrige Pressekonferenz war damit nicht zuletzt eine Demonstration der Unabhängigkeit der US-Notenbank. Eine Demonstration, die angesichts eines Präsidenten Trump offenbar bitter nötig ist.
Dabei ist das Verhältnis zwischen dem Fed-Chef und dem US-Präsidenten schon seit längerem beschädigt. Bereits in seiner ersten Amtszeit hatte sich Trump wiederholt öffentlich über Powell lustig gemacht. Einmal verglich Trump den Fed-Vorsitzenden mit "einem Golfer, der nicht putten kann". Ein anderes Mal beschimpfte er die Fed-Banker als "Dummköpfe".
Zögert die Fed nur wegen Trump so lange?
Die spannende Frage ist nun: Agiert die Fed womöglich falkenhafter, befürwortet also eher höhere Zinsen, als sie es bei einem anderen Präsidenten täte - nur um ihre Unabhängigkeit zu demonstrieren? Einige Ökonomen hatten die US-Notenbank zuletzt kritisiert, die Fehler aus der Pandemie zu wiederholen und zu lange mit einer Anpassung der Geldpolitik, sprich Zinssenkungen, zu zögern.
Fakt ist: Die Unabhängigkeit der US-Notenbank ist ein hohes Gut. Würde man sie in Zweifel ziehen oder gar beschädigen, dann verlören der Dollar und US-Staatsanleihen schlagartig ihren Status als sicherer Hafen. Eine globale Finanzkrise wäre die Folge.
Doppelmandat bereitet Fed Kopfzerbrechen
Dieser Gefahren dürfte sich Powell mehr als bewusst sein. Das Problem, vor dem die Fed steht: Der von Trump angezettelte Zollkonflikt spiegelt sich noch nicht so recht in den harten Wirtschaftsdaten wider. So stiegen die US-Verbraucherpreise im März im Jahresvergleich lediglich um 2,4 Prozent nach 2,8 Prozent im Februar. Die Arbeitslosenrate lag zuletzt stabil bei 4,2 Prozent.
Die Unsicherheit über den Konjunkturausblick habe aber weiter zugenommen, erklärten die Währungshüter gestern Abend. Dabei bereitet der Fed auch ihr Doppelmandat Kopfzerbrechen, soll sie doch sowohl für Preisstabilität als auch für Vollbeschäftigung sorgen.
Fed warnt vor Stagflation
Fed-Chef Powell erklärte nun aber, dass wegen der Zölle "die Risiken höherer Arbeitslosigkeit und höherer Inflation gestiegen" seien - ein toxisches Duo, das als Stagflation bekannt ist. Dies ist bislang die deutlichste Warnung einer US-Behörde vor dem Schaden, den die Trumpschen Zölle anrichten könnten.
Eine Stagflation ist ein Horrorszenario, das jeder Notenbanker gerne vermeiden möchte. Das Dilemma für die Währungshüter: Steigende Verbraucherpreise müssten sie mit steigenden Zinsen bekämpfen, während ein Konjunkturabschwung und steigende Arbeitslosigkeit für sinkende Zinsen sprächen.
Nächster Zinsschritt im Juli?
Experten gehen daher davon aus, dass die Fed weiterhin auf Sicht fahren wird, also von Sitzung zu Sitzung in Abhängigkeit der dann vorliegenden neuen Konjunkturdaten entscheiden wird. Die Notenbanker rechnen für 2025 im Mittel mit einem Leitzins von 3,9 Prozent. Das deutet auf zwei kleine Zinsschritte in diesem Jahr hin.
Laut dem Fed Watch Tool der CME Group dürfte die US-Notenbank auf der nächsten Sitzung im Juni nochmals die Füße stillhalten und dann im Juli die Zinsen senken; davon gehen aktuell 56 Prozent der Marktteilnehmer aus. Sollte es soweit kommen, könnte Trump diese Zinssenkung als persönlichen Sieg verkaufen - bleibt zu hoffen, dass die Anleger an den globalen Finanzmärkten auch dann noch an eine unabhängige US-Notenbank glauben werden.