
marktbericht
Aus Furcht vor den ökonomischen Folgen der US-Zollankündigungen kehren die Anleger dem Aktienmarkt den Rücken. Sollten die US-Pläne verwirklicht werden, drohen Experten zufolge kräftige Wachstumseinbußen.
Der DAX knickt im frühen Handel um 2,4 Prozent auf 21.845 Punkte ein. Gestern hatte bereits die Erwartung neuer US-Zölle den deutschen Leitindex ins Minus gedrückt, er notierte zum Handelsschluss 0,7 Prozent tiefer bei 22.390 Punkten.
Die Analysten von HSBC werfen einen Blick auf den Markt aus charttechnischer Perspektive: Aufgrund der Bekanntgabe der US-Zölle müssten Anleger mit einer erneuten Belastungsprobe der Schlüsselzone zwischen 22.407 und 22.125 Punkten rechnen. Ein nachhaltiges Abgleiten gelte es zu verhindern, andernfalls sehen sie ein rechnerisches Abschlagspotenzial von 1.200 Punkten.
Die US-Regierung hatte gestern neue pauschale Zölle in Höhe von zehn Prozent auf Importe aus allen Ländern angekündigt. Für viele Staaten sollen je nach Handelsdefizit deutlich höhere Strafabgaben greifen. Auf Einfuhren aus Deutschland und anderen Staaten der Europäischen Union in die USA sind demnach neue Zölle in Höhe von 20 Prozent vorgesehen.
Stephen Dover, Marktstratege bei Franklin Templeton, sprach vom Ende der Freihandelsära. Die Zölle von Trump seien insgesamt viel höher als erwartet. Vom Freihandel bleibe nicht mehr viel übrig, kommentierte auch der Marktbeobachter Thomas Altmann von QC Partners. Seiner Einschätzung nach wird dieses Vorgehen weltweit Wachstum kosten. Noch scheinen zwar Verhandlungen und Deals möglich. Ob, wie schnell und mit welchen Zugeständnissen diese aber gelten könnten, sei zum jetzigen Zeitpunkt vollkommen offen.
Für die Deutsche Wirtschaft erwartet ifo-Handelsexpertin Lisandra Flachals Folge "zunächst einen dauerhaften Rückgang des BIP um 0,3 Prozent", wobei einige Schlüsselbranchen wie Pharma, Auto und Maschinenbau stärker betroffen seien.
Die Zollankündigungen Trumps dürften auch Folgen haben für die US-Geldpolitik. US-Notenbankerin Adriana Kugler plädiert auch mit Blick auf die von der Zollpolitik ausgehenden Inflationsgefahren für eine Zinspause. Die Fortschritte der US-Notenbank Federal Reserve in Richtung ihres Inflationsziels von zwei Prozent hätten sich in jüngster Zeit überdies verlangsamt und könnten ins Stocken geraten sein. Dies sei ein Grund, die Zinsen auf dem aktuellen Stand konstant zu halten.
Die von Trump aufgebauten Handelshürden könnten nach Ansicht von Fachleuten in den USA für steigende Preise sorgen, da sich viele Importprodukte wie etwa Holz, Autos oder Halbleiter verteuern dürften. Diese Sorge hat unter Investoren bereits Rezessionsängste aufkommen lassen und führte mit dazu, dass die Inflationserwartungen der Verbraucher nach oben gingen.
Der US-Standardwerteindex Dow Jones hatte sich gestern mit einem Plus von 0,6 Prozent bei 42.225 Punkten aus dem Handel verabschiedet. Der breit gefasste S&P 500 gewann 0,7 Prozent auf 5.670 Zähler, und der technologielastige Nasdaq zog um 0,9 Prozent auf 17.601 Stellen an.
Die aktuellen US-Futures deuten nach den Ankündigungen Trumps allerdings kräftige Kursverluste an. Der Future des Nasdaq 100 signalisiert derzeit ein Minus von mehr als drei Prozent.
Asiens wichtigste Aktienmärkte haben mit Verlusten auf die Zollankündigungen reagiert. Der Technologiesektor etwa wurde mit neuen Zöllen von über 30 Prozent auf Produktionsstandorte in China und Taiwan überrollt, sodass sich die neuen Abgaben auf 54 Prozent auf Importe aus China summieren. "Der effektive US-Zollsatz auf alle Importe dürfte den höchsten Stand seit über einem Jahrhundert erreichen", sagte Ben Wiltshire, Global Rate Trading Strategist bei Citi.
Die japanische Börse mit ihren exportorientierten Werten reagierte mit starken Verlusten. Der 225 Werte umfassende Nikkei-Index gab um 2,8 Prozent auf 34.735 Punkte nach.
Etwas besser hielten sich die chinesischen Börsen. Der Hang-Seng-Index der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong sank zuletzt um 1,5 Prozent auf 22.853 Punkte, während der CSI-300-Index mit den wichtigsten chinesischen Festlandsaktien um 0,5 Prozent auf 3.8640 Punkte nachgab.
China forderte die USA auf, ihre neuesten Zölle unverzüglich aufzuheben und kündigt Gegenmaßnahmen an. "China lehnt dies entschieden ab und wird Gegenmaßnahmen ergreifen, um seine eigenen Rechte und Interessen zu schützen", so das chinesische Handelsministerium in einer Erklärung. Der Schritt der USA missachte den Interessenausgleich, der in multilateralen Handelsverhandlungen im Laufe der Jahre erreicht worden sei.
Der Goldpreis erreicht nach der Zollankündigung ein Rekordhoch. Der Preis für eine Feinunze steigt zunächst auf 3.157,23 Dollar. "Die Vergeltungszölle sind deutlich aggressiver als erwartet", sagt der unabhängige Metallhändler Tai Wong. "Die Aussichten für Gold sind hier hervorragend, mit 3.200 Dollar als neuem kurzfristigen Ziel."
Die US-Zollerhöhungen drücken die Preise am Rohstoffmarkt. Rohöl der Nordsee-Sorte Brent und US-Leichtöl WTI verbilligten sich um jeweils rund 2,5 Prozent auf 73,03 und 69,75 Dollar je Fass (159 Liter).
Unter Druck gerieten auch die Industriemetalle: Die Preise für Zinn, Aluminium, Kupfer und Nickel fielen um knapp ein bis gut drei Prozent. "Die Kupfer- und Öl-Futures sind ein Gradmesser für das globale Wachstum, und die Nachfrage nach Öl hängt besonders stark von den Schwellenländern ab, vor allem in Asien, wo einige der Zölle besonders hoch ausfallen", sagte Vivek Dhar, Rohstoffstratege bei der Commonwealth Bank of Australia.
Der Euro hat mit deutlichen Kursgewinnen auf das gewaltige Zollpaket der US-Regierung reagiert. Am Morgen stieg die Gemeinschaftswährung stieg bis auf 1,0990 Dollar und damit auf den höchsten Stand seit sechs Monaten. "Bemerkenswert bleibt, dass der US-Dollar nicht als sicherer Hafen profitiert", kommentierten Experten der Dekabank. "Offenbar sehen Anleger vor allem Risiken für die USA."
Siemens kauft zum zweiten Mal binnen weniger Monate eine Softwarefirma aus den USA und will damit sein Geschäft mit Automatisierungstechnik stärken. Siemens zahlt 5,1 Milliarden Dollar für Dotmatics, eine auf Software für die Forschung und Entwicklung von Arzneimitteln spezialisierte Firma aus Boston, wie Siemens mitteilte. Dotmatics gehört bisher dem Finanzinvestor Insight Partners und erwartet im laufenden Jahr mit rund 800 Mitarbeitern und 14.000 Kunden einen Umsatz von 310 Millionen Dollar - bei einer operativen Umsatzrendite (Ebitda-Marge) von mehr als 40 Prozent.
Nintendo bringt seine neue Konsole Switch 2 am 5. Juni auf den Markt. Der Preis soll bei rund 470 Euro liegen, wie der japanische Spielehersteller ankündigte. Die Switch ist das wichtigste Produkt für Nintendo. Darauf veröffentlicht das Unternehmen exklusiv seine neuen Spiele, etwa die Reihen "Pokémon", "Animal Crossing" und alles, was zum "Super Mario"-Franchise gehört. Nur für mobile Plattformen gibt es spezielle Ableger.
Die Aktien von deutschen Autobauern geraten in den allgemeinen Zollstrudel. Während Trump am Vorabend die Märkte mit seinem Zollpaket erschreckte, sind die zuvor schon von ihm angekündigten Abgaben auf importierte Autos jetzt in Kraft getreten.
"Donald Trump holt den Zollhammer raus", schrieben die Experten der Landesbank Baden-Württemberg. Auf viele importierte Autos hatte er bereits Strafabgaben in Höhe von 25 Prozent auf den Weg gebracht.
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) rechnet mit immensen Auswirkungen. Die Maßnahmen "markieren einen fundamentalen handelspolitischen Einschnitt", sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Sie seien eine massive Belastung und Herausforderung sowohl für die Unternehmen als auch die globalen Lieferketten der Automobilindustrie.
Der US-Autobauer Ford Motor will ab heute offenbar Preisnachlässe für mehrere Modelle ankündigen. Dies erklärten drei mit der Angelegenheit vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters und beriefen sich auf den guten Lagerbestand des Unternehmens. Das Programm werde den Namen "Von Amerika für Amerika" tragen. Ford selbst lehnte eine Stellungnahme zu dem Thema ab. Der Automobilhersteller stellt 80 Prozent seiner in den USA verkauften Fahrzeuge im Inland her und ist damit besser vor den Zöllen von US-Präsident Donald Trump geschützt als einige seiner Konkurrenten.
DHL sieht erst nach 2030 Gewinnwachstum in Sparte Post&Paket
DHL erwartet erst nach dem Jahr 2030 wieder steigende Gewinne in seinem kriselnden deutschen Brief- und Paketgeschäft. Ziel sei es, das operative Ergebnis (Ebit) der Sparte Post&Paket von 2025 an bei rund einer Milliarde Euro zu stabilisieren, hieß es. Bis 2030 geht der Konzern dabei von weiter sinkenden Briefmengen aus, das Paketgeschäft soll gleichzeitig zulegen. Eine Rückkehr zum Ebit-Wachstum werde es dann erst nach 2030 geben. Steigende Gewinne werde es dann aber hauptsächlich im Paket-Geschäft geben.