Meinung: Ford in Köln muss sterben, um überleben zu können

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Zwei Tage hat die Kölner Belegschaft des Autobauers Ford gestreikt. Die Aussichten sind dennoch trostlos. Liegt die Zukunft der Marke vielleicht in Frankreich oder China?

An diesem Donnerstagmorgen sind die Ford-Mitarbeiter wieder an die Bänder im Kölner Werk zurückgekehrt. Der Streik ist vorbei. Der erste in der 95-jährigen Geschichte der Fabrik. Henry Ford, Gründer der amerikanischen Ford Motor Company, hatte sie am 4. Oktober 1930 persönlich eröffnet.

Zwei Tage Streik bei Ford ohne Ergebnis

Zwei Tage hatten Fordler die Arbeit ruhen lassen und den Job des empörten Protestlers vor den Werkstoren ausgeübt. Die Werksband hatte ihnen mit "I'm still standing" und "Wunder gibt es immer wieder" Mut gemacht. Und da in Köln nichts ohne Karneval geht, war auch Stephan Brings, Sänger der Karnevalscombo Brings, mit seiner Gitarre gekommen. Er hat eigens ein Ford-Liebeslied geschrieben.

Vielleicht hätte er besser die "Internationale" angestimmt, das Kampflied der sozialistischen Arbeiterbewegung. Es hätte die Lage am Rhein besser beschrieben: "Völker, hört die Signale! Auf zum letzten Gefecht." Denn vieles spricht dafür, dass für die Ford-Belegschaft das letzte Gefecht begonnen hat. Das baldige Ende als eigenständiger europäischer Autobauer scheint besiegelt zu sein, wenn nichts Großes passiert. Nicht zuletzt, weil die amerikanische Konzernmutter für die europäische Tochter keinen Insolvenzschutz mehr übernehmen will. Von den aktuell rund 11.500 Stellen sollen nun allein in Köln 2900 wegfallen.

Dass es Ford schlecht geht, liegt vor allem an der verfehlten Modellpolitik. In der Europazentrale Köln haben sie alles auf eine Karte gesetzt: auf E-Mobilität. Das war per se nicht unklug, denn es ist das Zukunftsgeschäft. Doch ihre beiden neuen Stromer, der Explorer und der Capri, floppten, sind für die Volksmarke Ford deutlich zu teuer. Zusammen verkauften sie sich von Januar bis April in Deutschland nur 3185 Mal (allein die Wettbewerber VW ID.4/5 verzeichneten 10.407 Neuzulassungen). Diesen Reinfall können auch die Modelle aus dem rumänischen Craiova, der Ford Puma Gen-E und die Nutzfahrzeuge (Transit, Tourneo), nicht ausbügeln. All das ist viel zu wenig, um als Ford Europa in einem der härtesten Märkte der Welt bestehen zu können.

Diese Erkenntnis ist bitter für die Belegschaft, aber wahr. Fraglich ist, ob es überhaupt noch Überlebenschancen gibt. Und wo könnten sie liegen?

Zum Überleben braucht Ford Partner

Verbünden: Einige Marktexperten empfehlen dem Management dringend, sich bei einem großen Partner unterzuhaken. So wie es das angeschlagene Opel bei Stellantis getan hat. Vielleicht bei Renault? Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer vom Bochumer Autoinstitut Car (Center Automotive Research) empfiehlt diesen Schritt. Renault, das ebenfalls voll auf E-Autos setzt und 2024 weltweit 2,2 Millionen Fahrzeuge verkauft hat, äußert bislang öffentlich noch kein Interesse. Eine strategische Partnerschaft halten Experten aber dennoch für möglich. Denn Renaults Umsatz im wichtigen deutschen Markt ist gerade massiv eingebrochen. Hier steht die Marke Ford traditionell für zuverlässige Autos für die breite Masse, wie sie auch Renault baut.

Verkaufen: Das Werksgelände in Köln ist gigantisch groß, da es mal sehr erfolgreich war. Hier könnten 200.000 Fahrzeuge im Jahr produziert werden, die Auslastung liegt aber nur bei 20 Prozent. Womöglich werden chinesische Anbieter Interesse zeigen und auch geschassten Ford-Arbeitern eine neue Jobchance geben. Zwar sind bislang keine Verhandlungen mit den Asiaten bekannt, aber für das alte Werk in Saarlouis, wo im November der letzte Focus vom Band läuft, führte Ford schon mal Verkaufsverhandlungen mit BYD. Die großen chinesischen Hersteller wollen vermehrt in Europa produzieren, schon um Zölle zu umgehen.

Fokussieren: Möglicherweise könnte Ford Europa noch mal ganz neu anfangen – nach schmerzhaften Einschnitten. Denn zuvor müssten weitere Stellen gestrichen werden, um die Produktionsstandorte zu optimieren. Um finanziell wieder auf die Beine zu kommen, müsste der Konzern sich dann bis auf Weiteres auf seine profitablen Nutzfahrzeuge konzentrieren. Den Explorer und den Capri könnten sie wieder einstellen, denn sie sind keine Ford-Entwicklungen, sondern nutzen VW-Technik in teurer Lizenz, von Ford ist fast nur das Blech.

Parallel dazu könnte Ford versuchen, eigene marktgängige, profitable Pkw für das E-Zeitalter zu entwickeln, die das Zeug haben, an Großserienfahrzeuge wie den Fiesta anzuknüpfen. Nachfrage ist zweifelsohne da. Auf Modelle der Konzernmutter in den USA kann Köln dagegen nicht hoffen. Sie sind für Europäer unattraktiv. Den Mach-e, der an den legendären Mustang erinnern soll, verkaufte Ford vergangenes Jahr nur 25.217 Mal – in ganz Europa.

Was immer geschieht, eines scheint klar zu sein: Das alte Ford muss sterben, damit ein neues leben kann.