Meinung: Warum Saskia Eskens Abgang die SPD vor ein Problem stellt

Artikel Bild

Saskia Esken wirkte zuletzt unglücklich auf dem Parteivorsitz. Die Kritik an ihr aber war unverhältnismäßig. Nach ihrem Rückzug stellt sich für die SPD nun eine unangenehme Frage.

Saskia Esken setzt einem unwürdigen Schauspiel selbst ein Ende: Die langjährige Co-Vorsitzende der SPD will nicht erneut für das Amt kandidieren. "Ich gebe jetzt mein Parteivorsitzenden-Amt auf und mache Platz für die Erneuerung", sagte die 63-Jährige am Sonntagabend im "Bericht aus Berlin". Ihr gehe es darum, dass die SPD nun deutlich machen könne, dass sie "viele junge, neue Gesichter" habe, mit denen die Partei die Gesellschaft im Ganzen repräsentieren könne. 

Man könnte das als konsequenten Schritt deuten, als das, was in der Lage angemessen ist. Sie ist umstritten, ihr fehlt der Rückhalt für eine Wiederwahl auf dem Parteitag im Juni. Womöglich hat sie schlicht eingesehen, dass es karrieretechnisch vorbei ist. Außerdem sollte schon jemand die Verantwortung übernehmen für ein historisch schlechtes Abschneiden der Partei bei der Bundestagswahl. Nicht nur verlor die SPD das Kanzleramt, sie kam auch auf nur noch 16,4 Prozent der Stimmen.

Wäre da nur nicht der Umstand, dass der Mann, der genau gleich viel dieser Verantwortung trägt, währenddessen munter seine Macht ausbaute: Co-Parteichef Lars Klingbeil sicherte sich direkt nach der Wahlniederlage übergangsweise den Fraktionsvorsitz und anschließend den Posten des Bundesfinanzministers und Vizekanzlers in der neuen Regierung. Er ist der neue starke Mann der SPD. Wahlniederlage, war da was?

Saskia Esken: "Oft ist die heftige Kritik an mir unfair"

Auch Esken wäre gern ins Kabinett eingezogen, konnte sich damit aber nicht mehr durchsetzen. Alle paar Tage gab es in den vergangenen Wochen Stimmen aus der Partei, die Kritik an Esken äußerten, oder die Unterstützung für Klingbeil ausdrückten und Esken dabei explizit nicht erwähnten. Sie wurde zum Schuldenbock vieler Genossen, auch wenn dabei nie abschließend deutlich wurde, warum überhaupt. Immer wieder geht es um ihre angeblich unglücklichen Fernsehauftritte, ihr schlechtes Abschneiden im eigenen Wahlkreis. Doch scheint das in keiner Relation zum Ausmaß der Kritik zu stehen.

Esken selbst wollte kämpfen, das wurde nicht zuletzt in einem Interview deutlich, das sie dem stern gab. Sie sei sicherlich nicht "frei von Fehlern", sagte sie da, und damit beschäftige sie sich auch. "Aber oft ist die heftige Kritik an mir unfair und konstruiert." Frauen in der Politik würden kritischer beäugt und anders beurteilt.

Auch wenn sie in ihrem Abschiedsinterview in der ARD kein böses Wort über ihren Co-Vorsitzenden verliert, spielt Lars Klingbeil in dem Schauspiel der vergangenen Wochen eine eher unrühmliche Rolle. Er ließ die Diskussionen in der Partei, die teils auch öffentlich ausgetragen wurden, einfach laufen, sehr lange jedenfalls.

SPD muss sich unangenehme Frage stellen

Die SPD muss nach dem Rückzug der Frau, die dazu beitrug, dass die Partei nach dem Abgang der ehemaligen Vorsitzenden Andrea Nahles wieder zu Geschlossenheit fand, nun mit sich ins Gericht gehen. Die allererste unangenehme Frage liegt auf der Hand: Welche junge Frau will Mitglied einer Partei werden oder diese unterstützen, die wiederholt so mit ihren Führungsfrauen umspringt?

Esken sucht in dem Debakel die Würde zu bewahren: Sie stellt sich als diejenige dar, die nun dafür sorgt, dass sich die Partei erneuert. Das ließen SPD-Kreise schon zur Veröffentlichung der Kabinettsliste verbreiten, auf der Esken nicht berücksichtigt wurde. Auch jetzt, zum Rückzug vom Parteivorsitz, ist das ihre Erzählung: dass sie insbesondere jungen Frauen in der SPD die Chance geben wolle, "für unsere Partei die Zukunft zu bestimmen." Das sei der Weg, den sie für sich "im Lauf der letzten Tage und Wochen" entwickelt habe. 

Wer wird ihr nachfolgen? Die aussichtsreichste Kandidatin dürfte Bärbel Bas sein. Die ehemalige Bundestagspräsidentin, eben frisch gekürte Bundesarbeitsministerin, machte bereits deutlich, dass sie zur Verfügung stünde. Ihr Alter? 57 – ganze sechs Jahre jünger als Saskia Esken. So viel zum Generationenwechsel.