Die AfD wird vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft. Der Arbeitnehmerflügel der CDU will ein sofortiges Verbotsfahren. Das will auch der Chef der Jusos.
Die Einschätzung ist eindeutig, die Wortwahl drastisch: Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft nun die gesamte AfD als gesichert rechtsextremistisch ein, "aufgrund der die Menschenwürde missachtenden, extremistischen Prägung der Gesamtpartei". Damit könnte die Debatte um ein Verbotsverfahren der AfD wieder an Fahrt aufnehmen.
Auch aus einem wichtigen Teil der CDU kommt nun die Forderung nach einem sofortigen Verbotsverfahren: Der geschäftsführende Bundesvorstand der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft Deutschlands (CDA) erklärt gegenüber dem stern: „Der Verfassungsschutz stellt jetzt endlich klar, was längst Gewissheit war: die AfD ist eine verfassungsfeindliche Partei.“ Die Partei wolle die Demokratie zerstören und spalte die Gesellschaft.
AfD-Verbot wird für den richtigen Weg gehalten
Die Einschätzung des Verfassungsschutzes liefere jetzt „die notwendige Grundlage“ für ein Verbotsverfahren. „Die CDA Deutschlands spricht sich daher für ein sofortiges Verbotsverfahren der AfD aus.“ Außerdem dürfe es für die Partei keine staatliche Finanzierung mehr geben. Ein Verbot sei der richtige Weg. „Das wird ein großer gesellschaftlicher Kraftakt, den wir jetzt wagen sollten, um Schlimmeres zu verhindern.“
Zur Begründung teilte der Flügel der CDU mit: „Solange die Rechtsextremen weiter ungehindert ihre Parolen und Lügen über die Sozialen Medien verbreiten und dort sogar durch die Algorithmen massiv verstärkt werden, werden sie immer erfolgreicher.“ Mit besserer Politik allein werde es „extrem schwer“, dagegen zu halten. „Unsere konsensorientierte Demokratie hat diesen Spaltpilzen im Zeitalter von digitaler Desinformation nur wenig entgegenzusetzen“, erklärt der geschäftsführende CDA-Bundesvorstand weiter.
Juso-Chef: AfD-Verbot muss auf den Kabinettstisch
Auch Juso-Chef Philipp Türmer drängt zur Eile: "Diese Regierung kann ein Verbotsverfahren beantragen", sagte Türmer dem stern. "Sobald sich die neue Regierung gebildet hat, muss dieses Thema auf den Kabinettstisch." Der Vorsitzende der SPD-Jugendorganisation mahnt, den "rechtsextremen Nährboden" trockenzulegen. "Das Vorgehen muss nun klar sein", forderte Türmer: "Konservative Kräfte müssen damit stoppen, diese Partei wie jede andere zu behandeln und sie zu legitimieren."
Kürzlich hatte sich Jens Spahn, der designierte Fraktionsvorsitzende der Union, für einen angepassten Umgang mit der AfD-Fraktion im Bundestag ausgesprochen und dafür Kritik auf sich gezogen. Spahn wies die Darstellungen zurück, er wolle die Partei normalisieren.
Der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer sieht die AfD als "eine Bedrohung für Staat und Gesellschaft und für alle demokratisch denkenden Menschen"
© Michael Kappeler
Die künftige schwarz-rote Regierung müsse Maßnahmen zum Schutze der Demokratie ergreifen, forderte Juso-Chef Türmer, der die AfD als eine "Bedrohung für Staat und Gesellschaft und für alle demokratisch denkenden Menschen" bezeichnete.
SPD-Politikerin Wegge: AfD will Demokratie beseitigen
Ein Parteiverbot kann nur vom Bundestag, Bundesrat oder der Bundesregierung beim Bundesverfassungsgericht beantragt werden. Ende Januar hatte der Bundestag erstmals über einen AfD-Verbotsantrag beraten, der von mehr als 120 Abgeordneten eingebracht worden war. Abgestimmt wurde über diesen jedoch nicht. Nach dem Prinzip der Diskontinuität ist der Antrag im alten Bundestag verfallen und müsste nun neu eingebracht werden.
"Der Verfassungsschutz bestätigt, was wir im Parlament schon lange sehen konnten", sagte Carmen Wegge dem stern. Die SPD-Politikerin gehörte zu den Mit-Initiatoren des Gruppenantrags. "Als Abgeordnete sind wir meiner Meinung nach nun umso mehr verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die AfD vorm Bundesverfassungsgericht überprüft wird."
Wegge erwartet, dass sich nun alle dafür antragsberechtigten Gremien mit genau dieser Frage beschäftigen. "Die AfD ist eine rechtsextreme Partei, die unsere Demokratie beseitigen will."
Auch Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) begrüßt die Einstufung der gesamten AfD als gesichert rechtsextrem. Die Hochstufung der Partei durch das Bundesamt für Verfassungsschutz habe auch Auswirkungen auf ein mögliches Parteiverbot. Badenberg sagte dem stern: "Ein Parteiverbotsverfahren ist nicht zwangsläufig die Folge dieser Einstufung." Die Entscheidung über die Einleitung liege nun "bei den antragsberechtigten Verfassungsorganen und ist eine politische Entscheidung", sagte die Ex-Verfassungsschützerin. Sie betonte: "Die Einstufung des Verfassungsschutzes wird dabei eine wesentliche Rolle spielen."
Neue Einstufung als Folge "zunehmender Radikalisierung" der AfD
Badenberg selbst hatte einst im Bundesamt für Verfassungsschutz die Einstufung der AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall vorangetrieben und war zuletzt dessen Vize-Präsidentin. Die neue Einstufung hält Badenberg für gerechtfertigt: „Diese Einschätzung bringt Klarheit für alle Beteiligten und ist eine Konsequenz der zunehmenden Radikalisierung der Partei in den vergangenen Jahren.“
Die geschäftsführende Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) äußerte sich zurückhaltend zur Möglichkeit eines Parteiverbots. "Ein Parteiverbotsverfahren hat aus guten Gründen sehr hohe verfassungsrechtliche Hürden", sagte die SPD-Politikerin. "Das sollte man nicht ausschließen, aber weiterhin sehr vorsichtig damit umgehen. Es gibt jedenfalls keinerlei Automatismus."
Die neue Bewertung durch den Verfassungsschutz zeige, dass es gesetzliche Instrumente gebe, "die unsere Demokratie gegen extremistische Bedrohungen schützen". Dazu gehörten die Beobachtung und die Bewertung durch den Verfassungsschutz, wie sie jetzt erfolgt sei. Ein Verbotsverfahren muss letztlich vom Bundestag, vom Bundesrat oder der Bundesregierung selbst beantragt werden.