Nordkorea wird abgeriegelt: Auch Kim Jong Un will eine Mauer bauen

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Während Nordkorea seinen 76. Gründungstag feiert, schottet Machthaber Kim Jong Un sein Land immer mehr ab. Er baut eine Mauer entlang der südkoreanischen Grenze, verlegt Minen und rüstet Wachposten auf. Trotzdem gelingt zwei Nordkoreanern im August die gefährliche Flucht aus dem hochgesicherten Land.

Die Grenze zwischen Nord- und Südkorea ist praktisch unüberwindbar. Meterhohe Zäune mit Stacheldraht trennen beide Länder. Dazu kommen Panzersperren, Minen im Boden und patrouillierende Soldaten auf knapp 250 Kilometern quer über die koreanische Halbinsel. Zwischen den Zäunen liegt ein vier Kilometer breiter Puffer, die demilitarisierte Zone (DMZ).

Fluchtversuche über die schwer bewachte Grenze sind gefährlich und selten. Trotzdem ist es jetzt einem Nordkoreaner gelungen, sie spektakulär zu überwinden. Im August floh ein nordkoreanischer Soldat nach Südkorea. Laut der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap überquerte der Unteroffizier die Grenze zur Region Goseong an der Ostküste. Auf einer Küstenstraße fing ihn die südkoreanische Armee ab. Es war der erste Ausbruch eines Soldaten seit 2019.

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Weniger Nordkoreaner fliehen

Nordkoreanische Soldaten leiden unter den harten Bedingungen beim Militär, berichtet das Wall Street Journal. Mehrere seien schon bei Minenexplosionen oder beim Ausbau der Grenzanlagen gestorben.

Nordkoreaner arbeiten an einem Militärzaun an der innerkoreanischen Grenze. Nordkoreaner arbeiten an einem Militärzaun an der innerkoreanischen Grenze.

Nordkoreaner arbeiten an einem Militärzaun an der innerkoreanischen Grenze.

(Foto: REUTERS)

Es ist die zweite Flucht innerhalb weniger Wochen. Anfang August war ein Nordkoreaner über die Seegrenze nach Südkorea geflohen. Der Zivilist war bei Ebbe zu der südkoreanischen Insel Gyodong an der Westküste gelaufen, berichtet Yonhap. Im Mai 2023 war eine neunköpfige Familie mit einem Holzboot geflohen.

Dieses Jahr ist 105 Menschen die Flucht von Nord- nach Südkorea gelungen. Vergangenes Jahr waren es nicht mal 200. Vor der Corona-Pandemie sind viel mehr Menschen geflüchtet: über 1000 pro Jahr.

Die meisten nordkoreanischen Flüchtlinge kommen aber über China oder andere Länder ohne direkte Grenze zu Nordkorea in das Nachbarland. Es gibt so viele Elite-Überläufer wie seit Jahren nicht - unter anderem Diplomaten und Studenten aus dem Ausland kommen laut südkoreanisches Ministerium für Bildung nach Südkorea.

Überläufer, ihre Familienangehörige oder Personen, die mit dem Vorfall zu tun haben, werden in Nordkorea hart bestraft. Ihnen droht die Internierung in einem der berüchtigten Arbeitslager.

Überschwemmungen vernichten Ernte

Die Bevölkerung leidet - das zeigen auch die spektakulären Fluchten und Fluchtversuche. Die Nordkoreaner fliehen vor den schlimmen Zuständen im Land.

Es fehlt an Lebensmitteln, viele Menschen sind chronisch unterernährt. Im Norden des Landes sollen deshalb im Februar Menschen gestorben sein, berichtet das südkoreanische Vereinigungsministerium. Der Wirtschaft geht es schlecht, die Menschenrechtslage ist katastrophal, die Kindersterblichkeit hoch.

Die extremen Regenfälle im Juli haben die Lage noch einmal verschärft. Die Ernte dürfte deshalb deutlich niedriger ausfallen. Niederschläge haben Äcker beschädigt und laut Welternährungsorganisation auf Reis- und Maisfeldern zu Staunässe geführt. Dazu kommt möglicher Schädlingsbefall durch die Hitze mit bis zu 37 Grad Celsius im August. Weil in Nordkorea viel Wald abgeholzt wird, gilt es als besonders anfällig für Überschwemmungen.

Mehrere Mauerabschnitte gesichtet

Damit die Nordkoreaner das Land nicht verlassen, hat das Regime in den vergangenen Jahren die Sicherheitsvorkehrungen verschärft. Während der Pandemie hat es neue Zäune und Wachtürme gebaut. Wer versucht, über die nördliche Grenze zu China zu fliehen, darf von den Grenzschützern beschossen werden. Machthaber Kim Jong Un hat Wachposten neu bewaffnet und mehr Landminen verlegt. Anfang August wurden 250 ballistische Raketenwerfer an die Militäreinheiten an der südlichen Grenze übergeben.

Um die Minen zu verlegen und Panzerabwehrbarrieren zu bauen, sollen seit April mehrere Tausend nordkoreanische Soldaten an die Grenze gebracht worden sein.

Zudem will Kim an der Grenze zu Südkorea eine Mauer bauen. Das nordkoreanische Militär habe innerhalb der DMZ Mauern und neue Straßen gebaut, berichtete Yonhap Mitte Juni. Ob dort eine lange Mauer oder mehrere Verteidigungsanlagen entstehen, sei noch unklar.

Die BBC hat einige Tage später entsprechende Satellitenbilder ausgewertet. Es handle sich um mehrere Mauerabschnitte, berichtet Jake Horton aus dem Verifikationsteam. "Wir haben mehrere Strukturen identifiziert, die erst vor Kurzem gebaut wurden und sich über ein Grundstück von etwa einem Kilometer erstrecken. Diese Barrieren befinden sich am östlichen Ende der entmilitarisierten Zone zwischen Nord- und Südkorea." Das genaue Datum des Baubeginns sei unklar. Auf Bildern von 2023 sei die Barriere eindeutig nicht vorhanden gewesen.

"Wir haben auch Beweise dafür gefunden, dass innerhalb der von Nordkorea kontrollierten Seite der DMZ Land gerodet wurde", weiß Horton. Das sei laut Experten so nah an der Grenze ungewöhnlich. Sie könne einen militärischen Hintergrund haben und damit gegen den Waffenstillstand zwischen beiden Koreas verstoßen. Durch die Rodungen können die südkoreanischen Wachen entlang der DMZ besser beobachtet werden, berichtet die Website NK News. Zudem sollen sie möglicherweise die Flucht nordkoreanischer Soldaten in den Süden erschweren.

Müllballons und laute Beschallung

Die Stimmung zwischen Nord- und Südkorea wird immer schlechter. Kim Jong Un hatte den Süden Anfang des Jahres als "Hauptfeind" bezeichnet, will den Begriff auch in der Verfassung verankern. Dem Nachbarland hatte er mit Vernichtung gedroht. Experten warnen vor einem Krieg.

Seit Mai hat Nordkorea über 3800 mit Müll beladene Ballons nach Südkorea geschickt: Darin sind Zigarettenkippen, Stoffreste, Altpapier, leere Batterien, Gülle oder Fäkalien. Einer hat auch das Präsidentenamt getroffen.

Als Reaktion auf die Müllsendungen setzte Südkorea ein Militärabkommen mit Nordkorea von 2018 aus. Und es beschallt das sozialistische Nachbarland mit lauter Pop-Musik und Propaganda. Im Juli hat Südkorea dafür an der Grenze riesige Lautsprechertürme aufgestellt.

Psychologische Kriegsführung, mit der sich Nordkorea auskennt. Das hatte seine eigenen Lautsprechersendungen an der Grenze aber zuletzt ausgeschaltet. Medien sehen bei diesen Zwischenfällen einen Zusammenhang mit den Fluchtfällen der vergangenen Monate.

"Menschenrechtler unter Druck setzen"

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Nordkoreas Ballons waren eine Rache für fliegende Hilfsbotschaften aus Südkorea. Aktivisten schicken immer wieder Ballons über die Grenze, um den abgeschotteten Menschen zu zeigen, wie die Welt außerhalb aussieht - mit antikommunistischen Flugblättern, Geld, Medikamenten oder USB-Sticks mit südkoreanischer Pop-Musik. "Müll und Dreck zurückzusenden ist ein barbarischer Akt", sagte der Gründer der Gruppe, der selbst vor über 20 Jahren aus Nordkorea geflohen war, bei ntv.

Informationen aus dem Ausland will Nordkorea von seiner Bevölkerung fernhalten. "Es soll möglichst unangenehm für die Leute in Südkorea sein, die im Grenzgebiet wohnen, damit die vielleicht in Zukunft die Menschenrechtler unter Druck setzen, keine Informationen mehr zu schicken", sagt Nicolai Sprekels von "SARAM - Stiftung für Menschenrechte in Nordkorea" bei ntv.

Ins Ausland kommen einige weniger Nordkoreaner trotzdem. Obwohl, die Grenzen immer strenger gesichert werden und China vergangenes Jahr Hunderte Nordkoreaner in ihr Heimatland zurückgeschickt hat. Das scheint Überläufer vor den gefährlichen Fluchtversuchen nicht abzuschrecken.

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