Oliver Masucci: Darum ist er aus Deutschland weggezogen

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Oliver Masucci lebt auf Mallorca und in der Schweiz. Warum er Deutschland verlassen hat, verrät der Schauspieler im Interview.

Seine neue Serie "The German" startet am 24. Juli auf MagentaTV - eine weitere internationale Produktion für Oliver Masucci (56). Der deutsche Schauspieler lebt teils auf Mallorca und in der Schweiz, dreht mit Hollywoodstars und wird seit dem Erfolg der Netflix-Serie "Dark" von Island bis Thailand von Fans erkannt. Wie er das findet und warum er zu Deutschland ein ambivalentes Verhältnis hat, verrät Masucci im Interview mit spot on news.

In Ihrer Karriere konnten Sie sich schon über viele internationale Erfolge freuen, unter anderem mit der Serie "Dark". Werden Sie in anderen Ländern auf der Straße erkannt?

Oliver Masucci: Ja. Es ist nicht so, als würde ich wie Tom Cruise belagert - aber Leute erkennen mich. Vor "The German" habe ich in Island gedreht - dort war es kurios.

Was ist passiert?

Masucci: Ich habe dort die BBC-Serie "King and Conqueror" mit Nikolaj Coster-Waldau gedreht. In Reykjavík bin ich nach der Landung zum Mietwagenschalter gegangen, und der Typ sagt ganz cool: "Ich hab' dir ein Upgrade gemacht - ich bin riesiger 'Dark'-Fan." Als Nächstes ging ich in ein Café - und der Kellner fragt: "Du bist doch Deutscher, von 'Dark', oder? Du bist Ulrich." Auch in Thailand etwa haben mich Leute um Selfies gebeten.

Wie finden Sie es, von Fans angesprochen zu werden?

Masucci: Es ist schön, weil ich noch normal leben kann, aber ab und zu erkennt mich jemand - und das auf eine wohlwollende Weise. Fans erzählen mir, sie hätten "Dark" vier-, fünfmal gesehen. Die Serie hat weltweit Eindruck hinterlassen. Und im "Harry Potter"-Ableger "Phantastische Tierwesen: Dumbledores Geheimnisse" war ich der Chef der Zaubererwelt - das bringt natürlich ebenfalls viele Fans mit sich.

Sie drehen international, leben teils auf Mallorca und in der Schweiz. Wie viel Zeit verbringen Sie noch in Deutschland - und vermissen Sie es manchmal?

Masucci: Nicht wirklich. Ich bin selten da, und dann gefällt es mir auch. Ich besuche meine Eltern bei Bonn, bin ab und zu in Berlin. Ich habe da lange gelebt, gearbeitet, gespielt. Eine Woche geht, dann muss ich wieder weg.

Wie kommt das?

Masucci: Ich hatte schon immer großes Fernweh. Das hat mein Vater in mich gepflanzt. Er kam als Gastarbeiter aus Italien Ende der 60er-Jahre nach Deutschland. Eigentlich wollte er immer Schiffskoch werden und die Welt bereisen, hat das aber der Familie zuliebe nicht umgesetzt. Ich mache das jetzt quasi für ihn.

Wie sehen Sie Deutschland heute?

Masucci: Ambivalent. Das Land hat einerseits sehr viel geleistet, was es zu bewahren lohnt, aber gleichzeitig entwickelt es sich in vielen Dingen nicht schnell genug nach vorn. Man kann es ja schon nicht mehr hören, wer alles Bürokratie abbauen will - es geschieht bislang nicht. Und im Kulturbereich vermisse ich, dass Künstler und Denker so anerkannt werden - ich meine ganz praktisch, bei der Arbeit, im Sozialversicherungssystem -, dass Schauspieler nicht am Ende eines Drehs beim Arbeitsamt vorstellig werden müssen, um keine Rentenpunkte zu verlieren. Wie demütigend. Das System ist einfach nicht für Schauspieler und Kulturschaffende gemacht. Daran hat die letzte Kulturstaatsministerin schon nichts geändert. Und der voraussichtlich Neue ist in dieser Hinsicht komplett ahnungslos. Wir dürfen nicht selbständig sein. Auch deshalb bin ich aus Deutschland weggezogen.

Und wie beurteilen Sie die deutsche Film- und TV-Landschaft?

Masucci: So ähnlich wie Deutschland insgesamt: Innovation hat es schwer. Das Storytelling ist oft zu langsam und zu einfältig. Das hängt auch mit der Finanzierung zusammen: Es gibt anders als im europäischen Umland keine steuerlichen Anreize, um in Deutschland Filme zu drehen. Das nennt sich tax rebate, wie in Belgien, Österreich, Italien, und zieht internationale Produktionen an, die dort Geld ausgeben und Einheimische beschäftigen. Bei uns wird stattdessen auf Antrag gefördert, aber das ist - ich wiederhole mich - ein riesiger bürokratischer Aufwand und zu wenig Anreiz. Weil so nie die Summen zustande kommen, die man für spektakuläre Produktionen bräuchte, können deutsche Filme und Serien nur selten international reüssieren.

Viele Schauspieler zieht es nach Los Angeles. Wäre das eine Option für Sie?

Masucci: Ich war ja dort, als ich mit Snoop Dogg und Jamie Foxx den Vampirfilm "Day Shift" für Netflix gedreht habe. Die Oscarverleihung habe ich auch miterlebt, als "Werk ohne Autor" von Florian Henckel von Donnersmarck zweimal nominiert war. Spannend war das schon, aber Los Angeles ist nichts für mich.

Was stört Sie an der Stadt?

Masucci: Beispielsweise, dass ich dort bis zu zwei Stunden Autofahrt habe, nur um essen zu gehen - das ist absurd. Es ist mir zu weitläufig. Atlanta, wo ich auch gedreht habe, hat mir besser gefallen. Die Stadt ist sehr multikulturell und filmisch ein Hotspot - viele Innenaufnahmen entstehen dort - auch Georgia hat eben tax rebate. Ich merke in den USA aber immer, dass ich Europäer bin. Mir fehlen da die Architektur, Bauwerke, das Alte, die engen Gassen, die kleinen Restaurants, das Leben auf der Piazza. Und aktuell, bei dem politischen Klima, ist es mir zu extrem - in beide Richtungen, einerseits zu woke, andererseits zu nationalistisch.

Sie haben mit vielen Hollywoodstars gedreht. Bekommt man am Set was mit vom großen Starkult, der rund um einige Schauspieler herrscht?

Masucci: Man wird einfach sehr gut und professionell behandelt, am Set. In England, Frankreich, USA herrscht eine riesige Wertschätzung für das "talent" - also die Schauspieler. Die Verpflegung ist gut, man wird körperlich fit gehalten und muss keine Überstunden machen, wie in Deutschland, wo man an Drehtagen spart und das dann mit unbezahlten Überstunden kompensiert. Die Stars, mit denen ich gedreht habe, fallen vor allem durch hohe Professionalität auf. Und wenig Kult. Ob Jude Law, Mads Mikkelsen, Fanny Ardant, Eddie Redmayne - großartige Kollegen eben.

Was steht bei Ihnen als Nächstes an?

Masucci: Ich drehe eine internationale Sci-Fi-Serie auf Englisch: "Droneland". Inhaltlich liegt sie irgendwo zwischen "Minority Report" und "Blade Runner". Sie spielt quasi kurz vor Erfindung der "Matrix", in der Zukunft, in einer komplett Drohnen-überwachten Welt. Alles wird aufgezeichnet und gespeichert. Ich bin ein Agent, der sich in eine virtuelle Vergangenheit zurückbeamen kann. Wie in der Matrix können wir uns in dieses System einklinken. Die Menschheit steht am Scheidepunkt.

Danach mache ich den Kinofilm über Karl Adam, den Rudertrainer, der eigentlich Boxer war und den Satz geprägt hat: "Das Prinzip der Leistung ist auf allen Ebenen gleich." Er hat den Rudersport durch komplett neue Trainingsmethoden revolutioniert und den Deutschen Achter nach dem Krieg mit väterlosen Boxern besetzt und zweimal zu Olympischem Gold geführt. Eine sehr emotionale Aufsteiger-Geschichte über komplett unterschiedliche Menschen, an die niemand geglaubt hat und die sich voll und ganz einer Sache verschrieben haben. Die haben sich damals Ende der 50er sogar geschämt, das deutsche Trikot zu tragen. Danach werde ich meist in den Bergen den dritten "Woodwalkers"-Film drehen, im Harz, Süddeutschland, Österreich, Italien. Und dann ist das Jahr zu Ende. (lacht)