Operation "Gideon's Chariots": Israels Großoffensive in Gaza: viele Tote, trotzdem neue Hoffnung auf Gespräche

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Mehr als eineinhalb Jahre nach Beginn des Gaza-Kriegs geht der israelische Militäreinsatz in eine neue Phase. Aus dem Küstengebiet werden jeden Tag Dutzende Tote gemeldet.

Im Zuge ihrer neuen Großoffensive im Gazastreifen hat die israelische Armee nach eigenen Angaben auch einen großangelegten Einsatz von Bodentruppen gestartet. Sie seien seit Samstag im gesamten Norden und Süden des Küstengebiets gegen die islamistische Hamas im Einsatz, teilte das Militär mit. Aus medizinischen Kreisen im Gazastreifen hieß es, dass bei heftigen Angriffen in der Nacht und am Sonntag mindestens 110 Menschen getötet und viele weitere verletzt worden seien. Die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa berichtete, die meisten Opfer seien Minderjährige und Frauen. 

Angesichts der wieder deutlich steigenden Opferzahlen und der ohnehin katastrophalen Versorgungslage stößt die Großoffensive "Gideon's Chariots" international auf Kritik und ruft Besorgnis hervor. Die israelische Regierung will damit den Druck auf die Hamas erhöhen, die sie erklärtermaßen zerstören will, und erreichen, dass die Islamisten die verbliebenen Geiseln freilassen. Die Pläne für die Offensive, die Anfang Mai aus Regierungskreisen verlauteten, sehen auch vor, dass die Armee das abgeriegelte Küstengebiet erobert und auf Dauer besetzt hält. 

Krankenhäuser in Gaza außer Betrieb

Im Norden des Gazastreifens sind nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mittlerweile alle Kliniken außer Betrieb. Schwerer Beschuss verhindere, dass Patienten, Personal und Güter ins Indonesische Krankenhaus in Beit Lahia kämen. Es handelt sich um das letzte öffentliche Krankenhaus im Norden, das noch arbeitsfähig war. 

Israels Armee äußerte sich auf Anfrage zunächst nicht dazu. Das israelische Militär wirft der Hamas immer wieder vor, sich in Kliniken zu verschanzen und Krankenhäuser für militärische Zwecke zu nutzen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat dagegen in der Vergangenheit eine "systematische Zerlegung" des Gesundheitssystems im Gazastreifen durch die israelische Armee kritisiert. Israels Armee betont regelmäßig, im Einklang mit dem Völkerrecht zu handeln. Dieses verbietet Angriffe auf zivile Einrichtungen wie Krankenhäuser in Kriegszeiten. Sie können ihren Schutzstatus jedoch unter bestimmten Umständen verlieren, etwa wenn sie für Verstecke für Kämpfer oder als Waffenlager benutzt werden.

Israelische Regierung sieht Bewegung bei Hamas

Nach Ansicht der israelischen Regierung zeigt die neue Großoffensive bereits Wirkung. Verteidigungsminister Israel Katz hatte am Samstag mitgeteilt, mit Beginn der Operation habe die Hamas eine Rückkehr zu den Verhandlungen über ein Geiselabkommen angekündigt. Die Islamistenorganisation bestätigte eine neue Gesprächsrunde in der katarischen Hauptstadt Doha. Es gibt allerdings viele Streitpunkte. Selbst wenn die Hamas anbiete, weitere Geiseln freizulassen, werde Israel den Krieg nicht beenden, hatte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kürzlich betont. Eine zeitlich begrenzte Waffenruhe sei zwar möglich, nicht aber ein dauerhaftes Ende der Kämpfe. 

Nach Angaben des israelischen Militärs wurden zwei Geschosse auf Israel aus dem Gazastreifen abgefeuert - was mittlerweile selten passiert. Eines sei von der Luftabwehr abgefangen worden, das andere auf offenem Gebiet niedergegangen. Es gab zunächst keine Berichte über Opfer oder Schäden. 

Appelle für Ende der Gewalt

Nach Bekanntwerden des Beginns der Großoffensive mehrten sich Appelle, dass die Gewalt ein Ende haben müsse. Das forderte EU-Ratspräsident António Costa von beiden Konfliktparteien. UN-Generalsekretär António Guterres teilte mit, die Lage für die Palästinenser in Gaza sei mehr als unmenschlich. Die Blockade humanitärer Hilfe "muss sofort beendet werden". 

In Den Haag gingen Zehntausende zumeist in Rot gekleidete Demonstranten auf die Straße und forderten von der niederländischen Regierung eine härtere Gangart gegenüber Israel. 

Der norwegische Ministerpräsident Jonas Gahr Støre verurteilte einen israelischen Angriff in der Nacht. Israel setze Leid und Hunger als Waffe gegen die Menschen in Gaza ein, sagte er nach Angaben der Nachrichtenagentur NTB. Die Gewalt müsse enden, die Geiseln freigelassen und Nothilfe in das abgeriegelte Gebiet gelassen werden. 

Auch der neue Papst erinnert an Leid im Kriegsgebiet

Papst Leo XIV. erinnerte zum Abschluss seiner offiziellen Amtseinführung an die Kriegsgebiete auf der Welt und betete für die Menschen dort. "In Gaza hungern Kinder, Familien und alte Menschen, die überlebt haben", sagte er.