
Der Erfolg der FPÖ bei den Nationalratswahlen ist eng mit einem Namen verbunden: Herbert Kickl. Der Spitzenkandidat weist eine lange Karriere in der Partei auf, lernt von Granden wie Haider und Strache. Mit seinem ganz eigenen Stil macht er die Partei wieder stark, wird aber an der eigenen Radikalität scheitern.
Er wirkt nicht wie ein Menschenfänger. Charme und Charisma sind überschaubar. Im Gegensatz zu einstigen FPÖ-Größen wie Jörg Haider und Heinz-Christian Strache kann man sich Herbert Kickl kaum im trinkfreudigen und lebensfrohen Kreis einer Partyrunde vorstellen. Der 55-jährige Chef der rechten FPÖ ist dafür gedanklich blitzschnell, rhetorisch oft brillant und pflegt sein Image eines asketischen Politikers, der nicht zum "System" gehört.
Kickl hat aus Sicht der FPÖ in den vergangenen Jahren großartige Arbeit geleistet. Die österreichischen Rechtspopulisten waren nach der Ibiza-Affäre rund um Ex-Chef Strache 2019 schwer angeschlagen. Der Gewinn der Nationalratswahl ist ihr bisher größter Triumph - mit der Chance, Kickl zum extrem bürgernahen "Volkskanzler" zu machen. "Volkskanzler" wird als Begriff mit den Nationalsozialisten in Verbindung gebracht, wurde aber auch außerhalb dieses Zusammenhangs verwendet.
Vom Innenminister zum erfolgreichen Oppositionellen
Seit 2021 steht der Langstreckenläufer und Kletterer Kickl an der Spitze der Rechtspopulisten. Er hat eine lange parteiinterne Karriere hinter sich. Als er sich als junger Mann bei FPÖ vorstellte, sagte er seinen Biografen Gernot Bauer und Robert Treichler zufolge: "Ich kann zwar nichts, aber ich kann alles lernen." In der Freiheitlichen Akademie, dem politischen Nachwuchszentrum der Rechtspopulisten, sei er anfangs eher eine Art Helfer gewesen, der Flipcharts und Poster aufstellt. Doch sein Talent fällt auf, er macht Karriere.
Er wird Redenschreiber des von ihm bewunderten Haider, mit dem in den 1980er Jahren der Höhenflug der FPÖ begann. Er wird die rechte Hand von Strache, dessen Aufstieg er ab 2005 als FPÖ-Generalsekretär zwölf Jahre lang begleitete. Lange bevor der damalige US-Präsident Donald Trump "America first" als Losung ausgab, hatte die FPÖ sich mithilfe von Kickl als "soziale Heimatpartei" positioniert, die zuerst auf die Interessen der Österreicher schauen wollte. Slogans aus der Feder von Kickl: "Daham statt Islam" oder "Mehr Mut für unser Wiener Blut - zu viel Fremdes tut niemanden gut".
In der 2017 gebildeten ÖVP-FPÖ-Regierung wurde Kickl Innenminister und hinterließ aus Sicht seiner Kritiker verbrannte Erde. Unter anderem untergrub eine von ihm initiierte Razzia beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) die Reputation des Geheimdienstes.
FPÖ an der Seite der Corona-Maßnahmen-Gegner
Nach dem Bruch des Bündnisses agierte Kickl aus der Opposition heraus höchst erfolgreich. Seit Jahren wettert er scharfzüngig und zum Gefallen der FPÖ-Fans gegen Migranten, politische Eliten und - wie er sie nennt - "Systemmedien". Wesentliches Element für den Wiederaufstieg der Rechtspopulisten war die Corona-Krise. In der Pandemie wurde die FPÖ zum Sprachrohr der Gegner von Lockdowns und Zwangsimpfungen. Kein gutes Haar ließen die Rechtspopulisten an der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der sie eine "Gesundheitsdiktatur" vorwarfen.
Kickl, der ohne Abschluss Geschichte und Philosophie studiert hat, tritt inzwischen ohne einen Hauch von Selbstzweifel auf. Diese Art und seine russlandfreundlichen Ansichten machen ihn selbst für die ÖVP unattraktiv. Die Konservativen bezeichnen ihn als "Sicherheitsrisiko" und lehnen eine Zusammenarbeit mit ihm ab - aber nicht mit der restlichen FPÖ. Kickl hat die FPÖ wieder groß gemacht.
Für den amtierenden Kanzler Karl Nehammer hatte sich Kickl ins Abseits manövriert. "Er hat sich selbst radikalisiert", schloss der Kanzler vor der Wahl eine Zusammenarbeit mit dem FPÖ-Chef aus.