
Deutschland ist an den hohen Medikamentenpreisen in den Vereinigten Staaten schuld - meint US-Präsident Trump. Demnach zahlten US-Patienten für die Forschung, von der die Gesundheitssysteme in der EU mit niedrigen Preisen profitierten. Ein Dekret soll das ändern.
Bevor sich US-Präsident Donald Trump zu seinem Trip in den Nahen Osten, der ersten großen Auslandsreise seiner zweiten Amtszeit aufmachte, stellte er sich noch einmal an ein Rednerpult im Weißen Haus - und beschimpfte Deutschland und die Europäische Union als "gemein". Worum ging es? Um die exorbitant hohen Medikamentenpreise in den USA. Schuld daran sind aber laut Trump nicht die "sehr mächtigen" Pharmakonzerne, wie der Republikaner sagte. Sondern das "sozialistische Gesundheitssystem in Deutschland" sowie anderen Teilen der EU: "Die Europäische Union ist auf gemeiner als China."
Also nahm der Republikaner einen seiner dicken schwarzen Filzmarker in die Hand - und setzte seine Unterschrift unter ein Dekret, das Preise von verschreibungspflichtigen Medikamenten um "30 bis 80 Prozent" senken soll: Er weist das Gesundheitsministerium an, den Unternehmen innerhalb von 30 Tagen eine Preisliste zukommen zu lassen, die sich an den niedrigsten internationalen Preisen ausrichtet - unabhängig von Marktgröße oder Wirtschaftskraft des anderen Landes. Vor allem Arzneimittel, bei denen die Preisunterschiede zwischen dem US-Markt und dem Ausland besonders groß sind, sollen ins Visier genommen werden.
Staatlich festgelegte Preisobergrenzen sind in den Vereinigten Staaten höchst ungewöhnlich und wären wegen des Eingriffs Washingtons in den freien Markt womöglich in den vergangenen Jahrzehnten als Sozialismus verschrien worden. Ob das Dekret bestehen bleibt, die Maßnahmen greifen und welche Auswirkungen sie haben werden, ist unklar. US-Medien gehen davon aus, dass Pharmaunternehmen gegen die Anordnung klagen werden.
Die Medikamentenpreise in den USA sind fast dreimal so hoch wie der Schnitt von 33 vergleichbaren Industrieländern, gab das US-Gesundheitsministerium im Jahr 2022 an. Die Pharmaindustrie verteidigt sich und verweist auf die hohen Forschungskosten für neue Medikamente. In den Vereinigten Staaten gibt es - anders als in vielen anderen Industrieländern - keine zentrale staatliche Preisregulierung. Medikamentenpreise werden weitgehend von den Pharmaunternehmen bestimmt. Nun versucht Trump, mit Druck auf die eigene Industrie und Schuldzuweisungen an andere Länder, das Problem zu lösen.
Mehr als 20 Prozent des Staatshaushalts
Schon in seiner ersten Amtszeit hatte Trump versprochen, die Medikamentenpreise zu senken, was aber praktisch nicht gelang. Sein Nachfolger und Vorgänger, Joe Biden, hatte erstmals Preisverhandlungen zwischen Staat und Herstellern eingeführt, welche die Preise bestimmter Medikamente wie Insulin für einkommensschwache Menschen im Rentenalter gesenkt hat. Jedes Jahr darf Medicare über weitere, zusätzliche Medikamente verhandeln. Die Pharmaindustrie wehrt sich dagegen. Trumps Regierung hat sich offen dafür gezeigt, das entsprechende Gesetz zu überarbeiten.
Etwa 150 Millionen einkommensschwache US-Amerikaner im arbeitsfähigen Alter sind über Medicaid und im Rentenalter über Medicare krankenversichert und bekommen so auch ihre Medikamente bezahlt oder bezuschusst. Der Staat gibt viel Geld für die Krankenversicherung insgesamt aus: Medicaid und Medicare kosteten im vergangenen Jahr etwa 1,4 Billionen US-Dollar, das waren 22 Prozent des gesamten Haushalts. Für Trump könnten niedrigere Ausgaben für Medikamente andere Wahlversprechen mitfinanzieren: Niedrigere Steuern und der sogenannte "Golden Dome", der Raketenabwehrschirm für die USA.
Für den Fall, dass sich nichts ändert, droht Trump in seiner Verordnung damit, entsprechende Preise staatlich festzulegen und verschreibungspflichtige Medikamente mit "aggressiven Maßnahmen" zu senken. Unter anderem könnte die Regierung den Import günstigerer Alternativmedikamente genehmigen, den Export einschränken, kartellrechtliche Schritte einleiten, oder gar Marktzulassungen entziehen. All das würde zusätzlichen Druck auf die eigene Industrie ausüben, die Preise zu senken.
"EU unverschämter als China"
"Wir werden keinen Wucher und keine Preistreiberei mehr zulassen", kündigte Trump an. Zugleich versuchte er jedoch, eine offene Konfrontation zu vermeiden. "Ich kritisiere nicht wirklich die Pharmaunternehmen, sondern die anderen Länder", meinte er. Auch wenn Trump es nicht ausdrücklich sagte , baut er mit dem Dekret eine große Drohkulisse für die eigene Industrie auf. Mit einem Umsatzrückgang in den USA könnte der Druck für Unternehmen steigen, höhere Preise in anderen Industrienationen wie Deutschland zu erzielen. Sie könnten auch den Markteintritt verzögern oder gar nicht erst vornehmen, so niedrige Preisreferenzen verhindern und den Preis in den USA schützen.
"Ab heute werden die Vereinigten Staaten nicht mehr die Gesundheitsversorgung anderer Länder subventionieren", kündigte Trump an. Die Demokraten hätten die Pharmaindustrie geschützt, sagte er. Amerikanische Patienten hätten so auch Deutschland subventioniert. Der Europäischen Union warf Trump vor, sich in Preisverhandlungen "unverschämter als China" zu verhalten. Europa müsse künftig tiefer in die Tasche greifen: "Der Rest der Welt wird mehr zahlen müssen", sagte er. "Und Amerika wird viel weniger zahlen." In dem Dekret wird Handelsminister Howard Lutnick angewiesen, "notwendige und angemessene Schritte" zu unternehmen, damit Patienten in den USA weniger zahlen.