Trumps großer Irrtum: Putin will keinen Frieden, sondern die Ukraine

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Der russische Diktator hat sein Land für Jahrzehnte auf Krieg eingestellt. Für ihn kann es kein Zurück in der Ukraine geben. Denn Putins Ziele haben sich kein Stück geändert. Er will das Nachbarland komplett einnehmen. Das hat sogar Donald Trump gemerkt - und sich dennoch vorführen lassen.

Die Tatsache, dass Donald Trump immer wieder Unsinn redet oder schreibt, ist weniger Dummheit geschuldet als vielmehr Ignoranz. Der US-Präsident lebt, umgeben von Lakaien, in einer selbst geschaffenen Blase, in der nur eine Wahrheit zählt: seine eigene. Er glaubt vermutlich ernsthaft, dass Wladimir Putin den Krieg "satthat". Das war Irrtum eins. Irrtum zwei geht so: "Er steht nicht gut da und möchte gut dastehen. Vergessen Sie nicht, dass das Ganze eigentlich in einer Woche vorbei sein sollte. Wenn er nicht mit seinen Panzern im Schlamm stecken geblieben wäre, wären sie in etwa fünf Stunden in Kiew gewesen."

Auch wenn man sich längst daran gewöhnt hat, dass der Präsident des mächtigsten Landes der Welt gerne Stuss in die Welt hinausblökt, wenn der Tag lang ist, schockiert immer wieder das hohe Maß an Unwissen. Doch anders als in seiner ersten Amtszeit hat es Trump geschafft, seine Blase gegen jeden noch so kleinen Stich von innen und außen zu schützen, sie undurchdringbar zu machen. Wer ihm widerspricht und Zweifel an seiner - imaginierten - politischen Kunstfertigkeit bekundet, wird unter Beleidigungen verbannt. Wer ihn bestätigt, schmeichelt und seine - imaginierte - Einzigartigkeit bestätigt, hat leichteres Spiel. (Falls er kein Europäer ist.)

Putin, so ruchlos und tumb wie sein amerikanisches Gegenüber, nutzt die Charakterzüge gnadenlos zu seinen Gunsten aus. Der Massenmörder im Kreml ist geschickt darin, Trump das Gefühl zu geben, sein Kumpel und mit ihm auf Augenhöhe zu sein. Das ist aber nicht der Fall. Der Russe ist - anders als der US-Präsident - ein ruhiger Stratege, der einen Plan hat und ihn eisern durchzieht, ohne Tag für Tag was anderes zu erzählen. An Verschlagen- und Gerissenheit ist Putin Trump weit überlegen - was etwas heißen will. Der erste Mann im Weißen Haus schaut zu ihm auf, weil Putin genau das tut, was sich der Amerikaner nicht oder noch nicht traut: Seine Macht mit allen erdenklichen Mitteln zu sichern - und sich mit Gewalt zu nehmen, was er will.

Putin kann nur noch Krieg

"Russland und die Ukraine werden sofort Verhandlungen über einen Waffenstillstand und, was noch wichtiger ist, über ein ENDE des Krieges aufnehmen", erklärte Trump nach dem Telefonat mit Putin. Der wiederum legte Wert auf die Feststellung, "dass die Position Russlands insgesamt klar ist. Unser Hauptziel ist es, die Ursachen dieser Krise zu beseitigen." Zwischen den Aussagen liegen Welten.

Zu den angeblichen "Ursachen dieser Krise" gehören die absurden und erfundenen Vorwürfe gegen den Westen, insbesondere die NATO, Russland umstellt und ständig bedroht zu haben. Die baltischen Staaten, Rumänien, die skandinavischen Länder werden das Bündnis schon wegen der Bedrohung durch Russland nicht verlassen, damit Putin endlich glauben kann, sein Land sei wieder Weltmacht - in Wahrheit ist es inzwischen politisch, militärisch und ökonomisch komplett von China abhängig.

Putin, der den Krieg ganz allein begonnen hat, will die demokratisch gewählte Regierung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj stürzen, dann eine Moskauer Marionette installieren, das Nachbarland als Staat auslöschen und dann ins russische Reich heimholen. Frieden will er nicht - und wenn doch, dann nur zum Schein und bis zum nächsten Überfall auf welches Nachbarland auch immer. Ihm wird schon eine neue hanebüchene Lüge einfallen, einen Waffengang zu rechtfertigen.

Putin ist das Verrecken auf dem Schlachtfeld oder in den Wohnhäusern der Ukraine völlig egal. Er ist ein empathieloser Schlächter, der sein Land, die Bevölkerung, die gesamte Gesellschaft auf jahrzehntelange Kriegswirtschaft um- und eingestellt hat. Der militärisch-industrielle Komplex ist die Lokomotive der Wirtschaft. Die Bürger halten still - müssen sie auch, wenn sie nicht im Gulag landen wollen.

Trump ahnungslos hinterm Fichtenwald

Putin hat eine Diktatur installiert, die seine Macht garantiert. Er kann schalten und walten, wie er will. Ein Zurück in der Ukraine gibt es und kann es für ihn nicht mehr geben. Er kann gar nicht anders, weil auch er "die Spezialoperation" und all den damit verbundenen Blutzoll irgendwie legitimieren muss. Ihm wäre es unmöglich, jetzt zu erklären, das eroberte Staatsgebiet der Ukraine doch nicht zu annektieren. Minderwertigkeitsgefühle lassen sich nicht wegverhandeln, imperiale Ziele sind nur militärisch erreichbar. Solange China an seiner Seite ist, muss Putin nichts fürchten - wohl aber die Ukraine: und zwar ihr Ende.

Trump wird es jedenfalls nicht richten, wenn er einen Tag mit der Verschärfung der Sanktionen droht und am nächsten Tag Putin für seine angebliche Verhandlungsbereitschaft über den grünen Klee lobt und zu einem bevorzugten Handelspartner Amerikas erklärt. Der US-Präsident baut ein Drohpotenzial auf, um es Stunden später wieder einzureißen und für totale Verwirrung zu sorgen. Trump, ein Egomane vor dem Herrn, will Putins Freund sein. Dabei verliert er - so er es je hatte - jedes Gespür dafür zu merken, wie ihn sein russisches Pendant nicht hinter die Fichte, sondern einen ganzen Fichtenwald führt. Putin hat die USA dort, wo er sie haben will - und damit die Ukraine in der Nähe eines Diktatfriedens, den das Land niemals akzeptieren wird.

16 Sanktionsppakete haben nicht gereicht

Zu lesen ist jetzt wieder viel von der Zauberformel "Druck auf Putin". Doch in Wahrheit passiert nichts, was wirklich hilft. Die Boykotte werden zum Alibi. Die EU-Staaten haben das 17. Sanktionspaket verabschiedet, was umgekehrt und nachweislich bedeutet, dass die 16 davor nicht den gewünschten Erfolg brachten. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas sagt zwar tapfer: "Die Sanktionen wirken. Sie treffen Russlands Wirtschaft hart und behindern seine Fähigkeit, Krieg zu führen." Doch kann eben tatsächlich nur von "behindern" die Rede sein.

Weil Putin Soldaten für russische Verhältnisse exzellent bezahlt und die Löhne deutlich gestiegen sind, geht es vielen Menschen irrerweise besser als vor dem Krieg. China exportiert alle möglichen Produkte nach Russland und hat dort den Westen ersetzt. Die Europäer kaufen Russland weiter Monat für Monat für zig Milliarden Rohstoffe ab. Deutschland importiert in Indien aus russischem Öl erzeugte Produkte, vor allem Gasöle für die Herstellung von Diesel oder Heizöl.

Sanktionen brächten nur etwas, wenn sie scharf sind, ohne Abstriche durchgezogen und Schlupflöcher geschlossen würden, was aber hieße, dass es die EU-Staaten trotz aller Konsequenzen wirklich wollen und die Amerikaner mitmachen. Deshalb wird nichts geschehen. Scharfer Druck würde entstehen, würden die Europäer und die Amerikaner Waffen bis zum bitteren oder glücklichen Ende des Schlachtens liefern. Aber auch das ist nicht in Sicht. Geradezu irrwitzig sind die "Drohungen" der Amerikaner, aus den Bemühungen auszusteigen, den Krieg zu beenden. Das ist exakt das, was die Russen wollen: Denn dann stünden die Europäer allein da mit ihren Sanktionen und anderen "Drohungen". Da darf man gespannt sein, ob Kanzler Friedrich Merz den Taurus liefert.

"Binnen 24 Stunden beende ich den Krieg in der Ukraine", hatte Trump im Wahlkampf erklärt. Wie so viele seiner Sprüche ein Witz. Ab und an gibt es jedoch Lichtblicke, die den Eindruck völliger Unkenntnis der Lage aufweichen. So war es, als der US-Präsident neulich bei einem Treffen mit Großspendern erklärte, Putin wolle "das ganze Ding". Korrekt. Der russische Diktator will die Ukraine komplett einnehmen, ob im Krieg oder durch Kapitulation des Landes ist ihm völlig egal. Doch ein erzwungener Scheinfrieden beruht niemals auf Versöhnung und birgt deshalb das Risiko für weiteres Blutvergießen. Hoffentlich begreift das irgendwann auch der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika.

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