
Bei seinem Antrittsbesuch in Jerusalem schlägt Außenminister Wadephul neue Töne an: Israels Sicherheit bleibe deutsche Staatsraison, betont er. Zugleich erlaubt er sich Kritik am Einsatz im Gazastreifen und warnt vor einer dauerhaften Besetzung des Palästinensergebiets.
Außenminister Johann Wadephul ruft die israelische Regierung eindringlich auf, wieder in ernsthafte Verhandlungen über einen Waffenstillstand mit der islamistischen Hamas im Gazastreifen einzusteigen. Bei seiner ersten Reise nach Israel in seiner neuen Funktion warnte er zudem davor, den Krieg zwischen Israel und der radikal-islmischen Hamas in dem Küstenstreifen nur militärisch lösen zu wollen. Für eine dauerhafte Beendigung des Konflikts komme nur ein politischer Prozess in Frage, sagte er bei einer Pressekonferenz mit dem israelischen Außenminister Gideon Saar in Jerusalem.
Mit Blick auf das wieder verschärfte militärische Vorgehen Israels seit März sagte der CDU-Politiker: "Ich bin nicht sicher, ob so alle strategischen Ziele Israels erreicht werden können, ob dies langfristig der Sicherheit Israels dient." Ein Waffenstillstand müsse den Weg für die dauerhafte Versorgung der palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen ebnen. Dort komme seit 70 Tagen keine humanitäre Hilfe mehr an, die große menschliche Not verschärfe sich jeden Tag. Der Minister zeigte Verständnis für den israelischen Ansatz, dass Hilfslieferungen den Menschen und nicht der Terrororganisation Hamas zugutekommen sollten, "die diese Hilfslieferung in der Vergangenheit auch missbraucht hat".
Zugleich machte Wadephul ungewöhnlich deutlich die Vorstellungen der neuen schwarz-roten Regierung für eine Friedenslösung zwischen Israel und den Palästinensern klar. Gebraucht werde eine politische Lösung für den Wiederaufbau von Gaza ohne die Hamas, von der keine Bedrohungen für Israel mehr ausgehen dürfe. Der arabische Wiederaufbauplan mit einer starken Rolle der Palästinensischen Behörde sei dafür ein guter Ausgangspunkt.
Kritiker fürchten Vertreibung der Palästinenser
Klar sei aber auch, dass der Gazastreifen Teil der palästinensischen Gebiete bleiben müsse, betonte Wadephul. Er sei sich mit Saar einig gewesen, dass die Palästinenser dort "eine Zukunft haben können und von niemandem gezwungen werden, dieses Gebiet zu verlassen". Die Präsenz der israelischen Armee dort werde nur von vorübergehender Natur sein - auch darüber habe Einigkeit bestanden. Kritiker befürchten, dass Israel eine dauerhafte Besetzung des Gazastreifens oder eine Vertreibung der Palästinenser anstrebt.
Weltweit wird das Vorgehen des israelischen Militärs, bei dem bislang mehrere 10.000 Palästinenser getötet wurden, als rücksichtslos und unverhältnismäßig kritisiert. Zudem streben rechtsextremistische Mitglieder der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eine Annexion des Gazastreifens an.
Israel hat für den Gazastreifen eine Großoffensive angekündigt für den Fall, dass die Hamas dort nicht aufgibt und die verbliebenen Geiseln freilässt. Auch eine Besetzung des Gebiets ist im Gespräch. Auch Wadephul bekräftigte bei der Pressekonferenz, dass die verbliebenen Geiseln im Gazastreifen unverzüglich freigelassen werden müssten. Saar sagte, nur die Hamas sei für den Krieg verantwortlich. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass dies so weitergehe. "Die Hamas muss besiegt werden."
Wadephul betonte, die Sicherheit Israels sei für Deutschland Staatsraison. Die Bundesregierung werde dem Land dazu alles bereitstellen, was für dessen Sicherheit erforderlich sei. Aber es sei auch legitim, dass man sich unter Freunden kritisiere.