
In den USA sind Medikamente im internationalen Vergleich extrem teuer. US-Präsident Trump will das mit einem Präsidialerlass ändern. Sein Vorgehen könnte zu höheren Medikamentenpreisen in Europa führen.
Mit Druck auf Pharmakonzerne und ausländische Regierungen will US-Präsident Donald Trump die hohen Arzneimittelpreise in den Vereinigten Staaten senken. Die Menschen in den USA hätten jahrelang viel zu viel gezahlt.
Trump nennt Europa "unverschämter als China"
Besonders scharf griff er europäische Staaten an. Amerikanische Patienten hätten "sozialistische Gesundheitssysteme" wie das in Deutschland mitfinanziert. Der Europäischen Union warf Trump vor, sich in Preisverhandlungen "unverschämter als China" zu verhalten.
In seinem Dekret wirft Trump Pharmakonzernen vor, "ihre Produkte stark zu rabattieren, um Zugang zu ausländischen Märkten zu erhalten". Die entgangenen Erlöse holten sie dann durch "extrem hohe Preise" in den USA wieder herein. Davon profitiere vor allem Europa, sagte Trump.
US-Gesundheitsministerium soll neue Preise aushandeln
Trump beruft sich in dem Dekret auf das Prinzip der "Most Favored Nation", das er schon während seiner ersten Amtszeit einführen wollte: Die USA sollen für bestimmte Medikamente künftig nicht mehr zahlen als das Land, das den weltweit niedrigsten Preis verlangt - unabhängig von Marktgröße oder Wirtschaftskraft.
Die Anordnung sieht zudem vor, dass das US-Gesundheitsministerium neue Preise aushandelt. Die US-Regierung zahlt jährlich mehrere Hundert Milliarden Dollar für verschreibungspflichtige Medikamente über das Gesundheitsversorgungsprogramm Medicare. Medicare versorgt knapp 70 Millionen ältere Amerikanerinnen und Amerikaner.
Pharmabranche unter Druck
Die Ankündigung des US-Präsidenten setzt die Pharmabranche unter Druck. Die Auswirkungen auf die globale Pharmaindustrie und deutsche Unternehmen wären weitreichend, analysiert die Beratungsgesellschaft Simon-Kucher. "Eine sinkende Ertragslage gefährdet die Mittel für Forschung, Produktion und Arbeitsplätze auch an deutschen Standorten", heißt es in einer Studie.
Mit einem Umsatzrückgang in den USA steige zudem der Druck für Unternehmen, höhere Preise in anderen Industrienationen wie Deutschland zu erzielen. Ferner könnten Pharmafirmen den Markteintritt in Deutschland oder Europa verzögern oder gar nicht erst vornehmen, um niedrige Preisreferenzen zu vermeiden und somit den Preis in den USA zu schützen, so Simon-Kucher.
Direktverkäufe von Medikamenten an US-Verbraucher
Für die Umsetzung des Dekrets sollen mehrere US-Behörden aktiv werden. So soll das Handelsministerium gegen die Preispolitik in anderen Ländern vorgehen, die aus amerikanischer Sicht unfair sind - etwa staatlich festgelegte Höchstpreise, die US-Unternehmen benachteiligen.
Das Gesundheitsministerium soll - wo möglich - Direktverkäufe von Medikamenten an US-Verbraucher zu den weltweit niedrigsten Preisen ermöglichen. Die Arzneimittelbehörde FDA soll außerdem prüfen, ob künftig Importe aus zusätzlichen Industrieländern erlaubt werden können. Auch Exportbeschränkungen stehen laut Weißem Haus zur Diskussion.
Konkrete Preisziele in den kommenden 30 Tagen
Innerhalb von 30 Tagen soll das Gesundheitsministerium konkrete Ziele für Preissenkungen festlegen. Auf dieser Grundlage will die Regierung mit der Pharmaindustrie verhandeln. Sollte die Industrie nicht freiwillig auf die Regierung zugehen und die Preise senken, seien weitere Maßnahmen geplant.
Im Mittelpunkt sollen vor allem Arzneimittel stehen, bei denen die Preisunterschiede zwischen dem US-Markt und dem Ausland besonders groß sind. Konkrete Medikamente oder Produktgruppen nannte Trump bislang nicht. Eine Einschränkung auf bestimmte Medikamentengruppen ist laut Regierungsangaben nicht vorgesehen.
Eine Lobby mit parteiübergreifendem Einfluss
Trump warf der Pharmabranche zu großen politischen Einfluss vor. Die Lobby sei "wahrscheinlich die mächtigste der Welt", sagte er und behauptete, die gegnerischen Demokraten hätten die Industrie über Jahre geschützt.
Tatsächlich zählt die Branche zu den einflussreichsten in Washington. Mit gezielten Spenden - an Demokraten und Republikaner - verschaffen sich Pharmaunternehmen Gehör in der Gesetzgebung. Reformversuche zur Senkung von Medikamentenpreisen stoßen wohl auch deshalb parteiübergreifend immer wieder auf Widerstand - häufig unter Verweis auf mögliche Folgen für Forschung und Innovation.
Die Kosten für Medikamente sind in den USA ein Dauerthema. Anders als in vielen anderen Industrieländern gibt es dort keine zentrale staatliche Preisregulierung. Die Preisgestaltung liegt weitgehend in der Hand der Pharmaunternehmen. Das führt zu oft erheblich höheren Kosten als etwa in Europa. In Deutschland greifen verschiedene Formen staatlicher Kontrolle.
Zölle auch auf Medikamente?
Für die deutsche Pharmabranche sind die USA das wichtigste Exportland und ein lukrativer Absatzmarkt. 2024 gingen dem Statistischen Bundesamt zufolge Waren im Wert von 27 Milliarden Euro und damit knapp ein Viertel (23,8 Prozent) der deutschen Pharmaexporte in die USA.
In der Branche sind die Sorgen groß, dass Trump wie angedroht Zölle auf Pharmazeutika aus der EU einführen könnte. In Trumps Zollpaket von Anfang April sind Medikamente ausgenommen, derzeit läuft eine Untersuchung der US-Regierung. Dauerhaft hohe Zölle würden die Branche und ihre Forschungskraft bedrohen, warnte Bayer-Chef Bill Anderson jüngst im Handelsblatt.
Drohende US-Zölle auf Arzneien schüren zugleich Sorgen um die Gesundheitsversorgung in Deutschland, wo es immer wieder Engpässe bei Arzneien gibt. Denn die Bundesrepublik hat 2024 Pharmazeutika im Wert von 12,1 Milliarden Euro aus den USA importiert, knapp 17 Prozent der Brancheneinfuhren, und zudem gut zwölf Prozent der Vorprodukte.