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Noch knapp die Hälfte der deutschen Goldreserven lagert in New York und London. Warum ist das so? Und warum holt die Bundesbank das Gold nicht nach Hause?
In Zeiten zunehmender Entfremdung zwischen Washington und Berlin mag es verwundern, dass noch immer über ein Drittel der deutschen Goldreserven bei der US-Notenbank Federal Reserve lagern. Zuletzt haben sich die Stimmen gehäuft, die eine Repatriierung dieser Reserven fordern.
"Holt unser Gold nach Hause", forderte etwa Michael Jäger, Präsident des Europäischen Steuerzahlerbunds, im ZDF. Befeuert werden solche Forderungen durch die wiederholten Attacken von US-Präsident Donald Trump gegen Notenbankchef Jerome Powell, mit denen er unverhohlen die Unabhängigkeit des amerikanischen Zentralbankensystems in Frage stellt.
Tatsächlich sind die deutschen Goldreserven im Ausland schon lange ein Streitthema, um das sich zudem manche Mythen ranken. Daran ist auch die Deutsche Bundesbank nicht ganz unschuldig. Bis 2013 veröffentlichte sie zwar jährlich den Gesamtbestand der Reserven, hielt sich aber weitgehend bedeckt, wie diese international verteilt sind. Das hat sich grundlegend gewandelt: Seither bemüht sich die Zentralbank um Transparenz.
Wie groß sind die deutschen Goldreserven?
Deutschland besitzt die zweitgrößten Goldreserven der Welt nach denen der USA. Ende 2024 lagen sie laut Geschäftsbericht der Bundesbank bei 3.352 Tonnen, was einem Rekordwert von 270,58 Milliarden Euro entsprach. Davon lagerten 1.710 Tonnen, das sind rund 51 Prozent, an einem nach wie vor unbekannten Ort in Frankfurt am Main.
Berücksichtigt man die starke Preissteigerung des Goldes von gut einem Viertel im bisherigen Jahresverlauf, entspricht der reine Marktwert des deutschen Goldes aktuell sogar rund 340 Milliarden Euro. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass ein Verkauf deutscher Reserven den Goldmarkt voraussichtlich schwer belasten würde, also jeweils ein deutlicher Abschlag auf den aktuellen Marktwert einzukalkulieren wäre.
Wie viel deutsches Gold lagert noch im Ausland?
1.236 Tonnen Gold, also noch knapp 37 Prozent der deutschen Reserven, lagern in den Tresoren der Federal Reserve Bank in New York. Die restlichen 409 Tonnen, rund 12,2 Prozent, werden von der Bank of England in London verwahrt.
Zwischen 2013 und 2017 hat die Bundesbank ihre Auslandsbestände abgebaut. Von New York wurden insgesamt 300 Tonnen nach Deutschland verlagert. Die 374 Tonnen, die zuvor in Paris gelagert waren, wurden vollständig übertragen.
Ihr neues Lagerkonzept begründete die Bundesbank damals mit der veränderten geopolitischen Lage und frei gewordenen Tresorkapazitäten im Inland.
Das damalige Vorstandsmitglied Johannes Beermann führte zur Begründung auch an, dass der Goldbestand in Frankfurt "ein Vertrauensanker für die Werthaltigkeit der Bilanz" sei und "für die Bevölkerung einen hohen Symbolwert" habe. "Aber das Gold könnte in Frankfurt im Not- oder Krisenfall nicht unmittelbar in ausländische Reservewährungen getauscht werden. Für diese Fälle hält die Bundesbank auch weiterhin Gold im Ausland."
Ist eine weitere Übertragung von Beständen geplant?
Konkrete Pläne gibt es derzeit nicht. Die Bundesbank verweist aber auf ihr Lagerstellenkonzept: "Entscheidend für die Gewichtung der Goldreserven sind vor allem die Ziele Sicherheit und Handelbarkeit, um Gold bei Bedarf verkaufen oder in Fremdwährungen tauschen zu können. Anhand dieser Kriterien bewertet die Deutsche Bundesbank regelmäßig die Lagerstellen ihrer Goldhaltung", erklärt ein Sprecher. Auch die Kosteneffizienz der Lagerung spielt eine Rolle.
"Die New York Fed ist und bleibt in diesem Rahmen eine wichtige Lagerstelle für unser Gold", so der Bundesbank-Sprecher. "Wir haben keinen Zweifel daran, dass wir mit der Fed New York einen vertrauenswürdigen, verlässlichen Partner bei der Aufbewahrung unserer Goldbestände haben."
London wiederum ist der größte und liquideste Goldhandelsplatz der Welt, der im Krisenfall eine rasche Verwertung erheblicher Bestände ermöglichen würde.
Warum lagert überhaupt deutsches Gold im Ausland?
Die Gründe liegen in der Weltwirtschaftsordnung nach dem Zweiten Weltkrieg. Nachdem das Gold der Reichsbank von den Alliierten konfisziert worden war, lagen die Goldbestände der jungen Bundesrepublik bei Null. Es wurden also keine Goldbestände der Bundesrepublik in die USA, England oder Frankreich geschafft, sondern sie wurden ihr als teilweise Bezahlung ihrer hohen Leistungsbilanzüberschüsse seit 1951 gutgeschrieben. Das sahen die Regeln der damaligen Europäischen Zahlungsunion (EZU) und des internationalen Währungssystems von Bretton Woods vor. Dieses Gold wurde aber nicht nach Deutschland geliefert, sondern es blieb zumeist an den großen Goldhandelsplätzen in den USA, Großbritannien und Frankreich.
Noch 2013 lagerten 69 Prozent der deutschen Goldreserven im Ausland. Eine große Rolle spielten dabei auch Sicherheitsaspekte. Während des Kalten Krieges erstreckte sich der Machtbereich der Sowjetunion bis an die Grenze der Bundesrepublik, so dass es nahe lag, die Reserven in weiter westlich gelegenen Lagerstellen zu belassen.
Wie wird der Bestand kontrolliert?
Während die Reserven in New York und London rascher liquidiert werden könnten, stellt sich die Frage, wie Deutschland seinen Bestand im Ausland effektiv kontrollieren kann.
Dazu schickt die Bundesbank "in regelmäßigen Abständen" Inspektions-Teams nach New York und London. Diese Inspektoren prüfen eine von ihnen vorab ausgewählte Stichprobe von Goldbarren, die die ausländische Zentralbank ihnen physisch vorlegt. Dabei werden die Barrendaten und der Feingehalt mit den eigenen Daten abgeglichen.
"Ferner werden die Barren vor Ort gewogen und auf Echtheit mit eigenen Prüfgeräten geprüft", erläutert ein Sprecher der Bundesbank. "Bei diesen Inspektionen hat es zu keiner Zeit irgendwelche Behinderungen oder Beschränkungen seitens der Lagerstellen Fed New York oder Bank of England gegeben."
Ohnehin scheint ein Zugriff durch die USA oder Großbritannien kaum denkbar. "Nach den Grundsätzen des Völkerrechts sind Währungsreserven vor Zugriffen der Vollstreckungsorgane des Gastlandes geschützt", erklärt die Bundesbank. Die genauen Bestände veröffentlicht die Bundesbank jährlich in ihrer Goldbarrenliste, die auf zuletzt 2.373 Seiten jeden einzelnen Goldbarren aufführt.
Warum macht Deutschland das Gold nicht zu Geld?
Die Diskussion über die Goldreserven ist alt: Schon häufig hat die Haushaltslage zu Begehrlichkeiten bei Politikern geführt, einen Teil der Reserven zu "versilbern" und damit Lücken im Bundeshaushalt zu stopfen, das Gesundheitswesen oder die Rente zu reformieren.
Doch ein Eingriff in die Reserven würde nach Ansicht von Währungsexperten das Vertrauen in den Euro, aber auch die Zahlungsfähigkeit der Bundesrepublik erschüttern, das ohnehin durch eine erhebliche Neuverschuldung strapaziert wird. Die Bundesbank führt außerdem die universelle Akzeptanz von Gold als Zahlungsmittel, die Diversifikation der Währungsreserven und die Robustheit des Landes gegen Schocks an.
Gerade in Deutschland erscheinen vergleichsweise hohe Goldbestände gerechtfertigt, auch jenseits der hohen emotionalen Bedeutung des nur begrenzt vorhandenen Edelmetalls. So mussten die Deutschen im 20. Jahrhundert zwei Währungszusammenbrüche erleben. Die Goldreserven seien ein "großer Vertrauensanker in der Bevölkerung", so Bundesbankpräsident Joachim Nagel.