Woidkes Wunder, Scholz‘ Schwäche: Die SPD kann noch gewinnen. Ohne Scholz.

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Die SPD dreht die Landtagswahl in Brandenburg. Aber welche SPD? Antwort: Bestimmt nicht die von Olaf Scholz oder Saskia Esken.

Dietmar Woidke sieht nicht aus wie ein Zocker, und er ist auch keiner. Trotzdem hat er in den vergangenen Wochen hoch gepokert - und gewonnen. Der Ministerpräsident hat spät im Wahlkampf einen bold move gemacht, einen breitschultrigen Zug. Wenn seine SPD in Brandenburg nicht Platz eins der Stimmen schaffe, sei er weg aus der Politik, und zwar ganz egal, ob das Ergebnis für eine SPD-geführte Landesregierung noch reiche oder nicht. Ich oder die! Spitzer geht ein Wahlkampf nicht. Persönlicher auch nicht, denn den Bundeskanzler ließ Woidke bei alledem außen vor, bis an die Grenze zur Peinlichkeit und darüber hinaus. Der stille Herr Woidke hat nicht sein Schicksal an das seiner Partei geknüpft, wie es üblich ist. Sondern das Schicksal seiner Partei an das seine ganz allein. Wenn irgendeine SPD also in Brandenburg gewonnen hat, dann die Woidke-SPD.

Aber wer ist die? Oder leichter: Wer ist diese SPD nicht, die doch noch siegen kann?

Erste Antwort: Es ist nicht die SPD der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken. Wenn Woidke an den Ängsten und Problemen mit schlecht kontrollierter Migration vorbeigesehen und -geredet hätte, die Wahl wäre für die Sozialdemokraten verloren gewesen. Zugleich konnte Woidke auf gute Wirtschaftszahlen seines Landes verweisen. Das hat der AfD nicht das Wasser abgegraben, aber Anhängern anderer Parteien (zuvorderst der CDU) es leichter gemacht, taktisch zu wählen, Woidke zu wählen.

Scholz müsste sich neu erfinden

Zweite Antwort: Es ist nicht die Bundesregierungs-Olaf-Scholz-SPD. Woidke wollte den denkbar unbeliebten Kanzler der Ampel in seinem Wahlkampf nicht sehen, weil ihm gelungen ist, was Scholz zuletzt so sehr misslungen ist: eine komplizierte, lagerübergreifende Dreier-Koalition halbwegs unfallfrei über die Runden zu steuern und dabei noch einiges für das Land zu bewirken. Zum Beispiel eine Ansiedlung wie die von Tesla, von der eine ganze Region sehr lange gut leben kann. Olaf Scholz hat inzwischen zu viel angekündigt und zu wenig davon liefern können: Führung allgemein, ordentliches Regierungshandwerk oder Abschiebungen im großen Stil (Scholz eigene Worte). Ein "Wirtschaftswunder" war auch unter den Akündigungen, doch die Wirtschaft steht erst einmal still.

Um den "Woidke zu machen" müsste sich der Bundeskanzler also komplett neu erfinden und das wird er nicht, weil er es nicht will. Trotzdem verschafft der Sieg bei der Landtagswahl auch ihm eine vorläufige Atempause: Gewonnen ist erst einmal… gewonnen. Und Dietmar Woidke wird seinen überraschenden, knappen Sieg nicht mit Vorwürfen gegen die Bundesregierung oder den Kanzler überschatten wollen. Darum werden auch andere Kritiker in der Deckung bleiben, die nun auf einen neuen Anlass warten, Scholz den Stuhl vor die Tür zu stellen.

Atempause heißt gleichwohl nicht, dass die Dinge geklärt seien und die Bundesregierung in ruhigeres Fahrwasser käme. FDP und Grüne haben bei den drei Landtagswahlen in Ostdeutschland spektakulär verloren. Sie sind entweder ganz aus den Parlamenten geflogen oder mussten um die fünf Prozent zittern. Gerade die jeweilige Zuspitzung zwischen Amtsinhabern und AfD hat Liberale und Grüne verdrängt. Auch ihre eingefleischte Rolle als funktionelle Mehrheitsbeschaffer hat das nicht verhindert.

Woidke ist beliebt - Scholz das Gegenteil

Die ostdeutschen Wähler haben also die zwei Ampel-Parteien aussortiert und sich dem neuen, unbekannten Bündnis Sarah Wagenknecht anvertraut. Verstehen muss man das nicht. Aber diese tektonischen Verschiebungen werden die Ampel neu wackeln lassen. Den Laden am besten zusammenhalten könnte ein Bundeskanzler, mit dem die Wähler nicht komplett durch sind. Olaf Scholz ist das nach Lage der Dinge nicht. Daran ändert Dietmar Woidkes SPD-Sieg in Brandenburg nichts.

Schließlich kann sich der Bundeskanzler vielleicht das eine oder andere von Haltung und Habitus bei dem brandenburgischen Ministerpräsidenten abschauen. Aber für den Bundestagswahlkampf der SPD gilt das nicht. Zu unterschiedlich ist die Ausgangslage, bei der zum Beispiel die taktischen Wechselwähler fehlen, die der SPD von CDU oder Grünen zu Hilfe kamen, damit die AfD nicht Platz Eins macht. Zu unterschiedlich ist die Rolle der CDU, die in den Bundestagswahlkampf als klare Favoritin geht, derweil sie in Brandenburg nie über die Außenseiterrolle hinauskam.

Kurzum: Olaf Scholz und die SPD können sich kurz über das Wahlergebnis in Brandenburg freuen. Und dann nimmt das Drama aller Voraussicht nach wieder seinen Lauf.

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