Die Debatte ums Rentenpaket führt in die Irre. Die Rente lässt sich nicht durch Streit zwischen den Generationen sichern, sondern nur durch mehr Arbeit und mehr Investitionen.
Jetzt warnen die Experten wieder vor dem "Irrsinn" des Rentenpakets der Ampel-Regierung. Vertreter der jüngeren Generation wie meine Kollegin Lisa Becke sehen die jungen Leute als die großen Verlierer des Gesetzesvorhabens. Diese Debatten gehen aber am Kern der Probleme vorbei.
Zwischen den Zeilen klingt es, als wären die heutigen Rentner das Problem. Das ist aber in mehrfacher Hinsicht falsch. Wer heute in Rente ist, hat seinen Teil des Generationenvertrages erfüllt. Er hat viele Jahre gearbeitet und Beiträge gezahlt. Mit seinen Steuern hat er die Ausbildung der heute Aktiven finanziert.
Und so traurig es ist: Im Jahr 2040, um das sich in der Rentendebatte so viel dreht, werden die meisten heutigen Ruheständler schon gestorben sein. Also lasst die Rentner in Ruhe!
Richtig ist, auf die Generation der Babyboomer zu schauen, die in diesen Jahren in Rente geht. Da die Jahrgänge so geburtenstark sind, hat hier jede Veränderung große Auswirkungen auf die Rentenfinanzen. Richtig ist, dass aktuell die sogenannte "Rente mit 63" ohne Abschläge nach 45 Beitragsjahren die Sozialkassen belastet. Allerdings steigt auch diese Altersgrenze.
Altersgrenze ist ein gutes Stichwort. Was viele übersehen, ist, wie stark die Rentenansprüche durch die Reformen der vergangenen Jahre bereits beschnitten wurden. Bis 1999 konnten viele Frauen mit 60 in Rente gehen. Bis 2009 wurden für ein Studium drei Beitragsjahre auf dem Rentenkonto gutgeschrieben. Die gesetzliche Altersgrenze steigt schrittweise von 65 auf 67 Jahre. Der geburtenstärkste Jahrgang 1964 kann erst mit 67 Jahren in den Ruhestand wechseln – jeder Monat früher bedeutet einen Rentenabschlag von 0,3 Prozent. Und dieser Abschlag gilt für den Rest des Lebens. Auch die viel gescholtenen Babyboomer leisten also einen Beitrag zur Stabilisierung der Rente.
Junge Rentenpaket-Kritiker müssten sagen: Wir wollen länger arbeiten!
Der aktuelle Streit dreht sich besonders um die sogenannte Haltelinie für das Rentenniveau. Es soll nicht unter 48 Prozent sinken. Das ist allerdings nur ein rechnerisches Konstrukt. Niemand lebt vom Rentenniveau, sondern wichtig sind der ausgezahlte Betrag und dessen Kaufkraft. Bei kräftigen Lohnsteigerungen und hohem Beschäftigungsstand kann man auch bei niedrigem Niveau gut leben. Dagegen verlieren bei Inflation und Rezession auch die höchsten Renten an Kaufkraft.
Der Blick zurück zeigt, dass keine einzige langfristige Vorausberechnung zu Rentenniveau und Beitragssätzen je gestimmt hat. Erstaunlicherweise ist es bis heute viel besser gelaufen, als in den 90er-Jahren vorhergesagt wurde.
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Die Schlüssel für den Wohlstand sowohl für die Aktiven wie die Ruheständler sind nämlich Wachstum und Beschäftigung. Und da kommen wir zum Kern des Problems. Deutschland steckt in der Rezession. Unser Geschäftsmodell des Exports von Industrieprodukten in alle Welt ist in der Krise. Wenn wir dieses Problem nicht lösen, dann sind wir 2040 alle ziemlich arm dran.
Und ja, zur Wahrheit gehört dazu, dass die Lebensarbeitszeit für diejenigen, die noch schaffen können, sich verlängern wird. Wenn Millionen bald 100 Jahre alt werden, dann müssen sie wohl bis 70 arbeiten – und viele werden das am Ende wohl auch wollen. Nur dazu hört man von den jungen Kritikern des Rentenpaketes überhaupt nichts. Die Klage über vermeintliche Benachteiligungen wäre viel glaubwürdiger, wenn sie mit der Ankündigung verbunden wäre: Klar, wir wollen mehr und länger arbeiten!