Die Lage im Überblick: Militärparade zum 80. Jahrestag des Sieges in Moskau

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Zum 80. Mal feiert Moskau den Sieg der Sowjetunion über Nazi-Deutschland. Die Militärparade am Roten Platz soll vom Krieg Russlands gegen die Ukraine ablenken.

80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges erinnert Russland heute (9.00 Uhr MESZ) mit seiner traditionellen Militärparade an den Sieg der Sowjetunion über Nazi-Deutschland im Jahr 1945. Es ist die inzwischen vierte Parade mit Tausenden Soldaten und schwerer Militärtechnik auf dem Roten Platz seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine. Kiew kritisiert die Waffenschau als zynische Machtdemonstration. Europa demonstriert dafür seine Unterstützung für Kiew bei einem Treffen mehrerer Außenminister der EU im westukrainischen Lwiw.

Unter anderem wollen die Minister die Bereitstellung einer Milliarde Euro für die ukrainische Rüstungsindustrie verkünden, teilte die EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas am Vorabend mit. Dies sei erneut ein "sehr wichtiges Zeichen" für die Ukraine. Die Hilfe gehe auf eine dänische Initiative zurück, unterschiedliche EU-Mitgliedstaaten würden sich daran beteiligen. Auch der neue deutsche Außenminister Johann Wadephul (CDU) kommt zu dem Treffen. Er kam am Donnerstagabend in der Ukraine an.

Scharfe Sicherheitsvorkehrungen in Moskau

Bei den Machtdemonstrationen in Moskau sind die Sicherheitsvorkehrungen auch wegen Drohungen der Ukraine, sich nicht an eine von Kremlchef Wladimir Putin angeordnete Waffenruhe zu halten, schärfer als ohnehin. Angesichts zahlreicher Einflüge ukrainischer Drohnen in den russischen Luftraum in den vergangenen Tagen dürften neben den Besatzungen der Flugabwehr auch die Besucher der Parade öfter einen besorgten Blick in den Himmel werfen. Russland hatte für die Feierlichkeiten eine dreitägige Feuerpause verkündet, doch hatte Kiew stattdessen eine 30-tägige Feuerpause als Grundlage für mögliche Friedensgespräche gefordert. 

An den Frontlinien in der Ukraine war von der Feuerpause wenig zu spüren. Das ukrainische Militär warf der Gegenseite Hunderte von Verstößen gegen diese Moskauer Anordnung vor. Dagegen behauptete das Verteidigungsministerium in Moskau, die russische Armee halte sich streng an die von Putin angeordnete Feuerpause und reagiere nur auf ukrainische Angriffe.

Nach ukrainischen Angaben wurde allein die Stadt Sumy im Osten des Landes im Laufe des Donnerstags von der russischen Luftwaffe mit rund 100 Gleitbomben angegriffen. Damit habe Russland "der Welt gezeigt, wie es sich die selbstverkündete Waffenruhe hält", sagte Kiews Luftwaffensprecher Juri Ihnat im Fernsehen. 

Bei der Reise der EU-Außenminister soll nach Angaben von Kallas auch die endgültige politische Zustimmung zur Einrichtung des geplanten internationalen Sondertribunals erfolgen, vor dem Russland für den Angriffskrieg gegen die Ukraine zur Verantwortung gezogen werden kann. "Es wird keine Straflosigkeit geben", betonte sie.

Nur wenige Gäste in Moskau aus dem Westen 

Erwartet wird, dass Putin in seiner Rede zur Militärparade den von ihm angeordneten Einmarsch ins Nachbarland einmal mehr verteidigen wird. Das ist auch der Grund, weshalb westliche Vertreter fernbleiben. Als einziger Regierungschef eines EU- und Nato-Landes wird der Slowake Robert Fico in Moskau erwartet. Auch der serbische Staatschef Aleksandar Vucic ist in Moskau. Wichtigster Gast Putins ist jedoch der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping.

Am Vorabend der Parade empfing Putin die angereisten Staats- und Regierungschefs zu einem Abendessen im Kreml, dem ein Konzert folgte. Der Kremlchef habe seine Gäste teils mit Umarmungen, teils mit längerem Händeschütteln begrüßt, berichtete die Staatsagentur Tass. Unter anderem habe Putin den brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva und den kubanischen Staatschef Miguel Díaz-Kanel "freundschaftlich umarmt". An die mitangereisten Ehefrauen der Politiker und Frauen in den Delegationen habe der russische Präsident Blumensträuße verteilt.

Selenskyj telefoniert mit Trump

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erörterte am Abend in einem Telefonat mit US-Präsident Donald Trump die aktuelle Lage, auch an den Fronten der Ukraine. Dabei sei betont worden, dass weiter um einen Frieden gerungen werden müsse. "Ich habe ihn (Trump) informiert, dass die Ukraine zu einer 30-tägigen Feuerpause bereit sei, sogar ab heute", schrieb Selenskyj auf der Plattform X. Er bekräftigte, dass die Ukraine zu Gesprächen "in jedem Format" bereit sei. "Aber dafür muss Russland die Ernsthaftigkeit seiner Absichten zu einem Kriegsende unter Beweis stellen, beginnend mit einer vollen, bedingungslosen Feuerpause."

Trump stellte sich in einem Post auf seinem Online-Sprachrohr Truth Social hinter die Forderung aus Kiew nach einer 30-tägigen Waffenruhe. Außerdem drohte er erneut mit Sanktionen. "Wird der Waffenstillstand nicht eingehalten, werden die USA und ihre Partner weitere Sanktionen verhängen", schrieb der Republikaner vermutlich in erster Linie Russland gerichtet.

Auch Großbritannien erhöht den Druck auf Putin, seinen Angriffskrieg in der Ukraine zu beenden - mit einem Sanktionspaket gegen die sogenannte russische Schattenflotte. Die britische Regierung werde bis zu 100 Öltanker sanktionieren, die ein Kernstück von Putins Schattenflotte bildeten und seit Anfang 2024 Fracht im Wert von mehr als 24 Milliarden Dollar (21 Mrd Euro) befördert hätten, teilte die britische Regierung in der Nacht mit. Premierminister Keir Starmer werde die Maßnahmen heute bei einem Treffen der nordeuropäischen Joint Expeditionary Force (JEF) in der norwegischen Hauptstadt Oslo ankündigen.

10.000 Parade-Teilnehmer in Moskau

Bei der Parade in Moskau sollen unter den rund 10.000 Teilnehmern Medienberichten zufolge auch Soldaten zahlreicher anderer Staaten sowie russische Teilnehmer am Krieg gegen die Ukraine sein. Zu sehen sind traditionell Panzer, Flugabwehrsysteme und Raketensysteme. Angekündigt ist zudem eine Flugshow mit russischen Kampfjets.

In Europa gilt der 8. Mai als Ende des Zweiten Weltkriegs. Die zweite Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde der Wehrmacht, dieses Mal auch vor Vertretern Moskaus, zog sich bis in die Nacht zum 9. Mai hinein, so dass dieser Tag in der Sowjetunion als Tag des Sieges gefeiert und später von den meisten Nachfolgestaaten übernommen wurde.