Ehemann einer Hamas-Geisel: "Ich sah den Hass. Ich sah das Böse"

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Am 7. Oktober 2023 ändert sich das Leben von Alon Gat und seiner Familie. Seine Frau lässt sich von Hamas-Terroristen als Geisel nehmen, um ihre Tochter zu schützen. Am Dienstagabend ist er zu Gast bei Markus Lanz.

Es ist ein besonderes Wochenende für die Menschen in Israel. Sie feiern das Freudenfest der Tora an diesem 7. Oktober 2023. Doch für Alon Gat und für viele andere Israelis wird dieses Freudenfest zu einem Albtraum, zu einem Tag der Trauer. An diesem Tag überfallen Terroristen der islamistischen Hamas den Süden Israels. Sie töten die Menschen, die feiern wollten, verschleppen etwa 240 Geiseln in den Gazastreifen. Auch Yarden, die Frau von Alon Gat, die Mutter seiner dreijährigen Tochter Geffen. Und seine Schwester Yarmel. Am Dienstag ist Alon Gat zu Gast in der ZDF-Talkshow Markus Lanz. Er ist nach Deutschland gekommen, um zu berichten. Über das Schicksal seiner Familie, über seine Mutter, die am 7. Oktober 2023 von den Terroristen erschossen wurde. Von seiner Schwester, die vor vier Wochen von israelischen Soldaten in einem Tunnel gefunden wurde. Sie wollten die junge Frau befreien. Aber sie kamen zu spät. Zwei Tage. Yarmel hat die Geiselhaft nicht überlebt.

Der Horror im Schutzraum

Alon Gat lebt mit seiner Familie in Tel Aviv. Er und seine Frau wollten ihre kleine Tochter nicht dem ständigen Terror der Hamas aussetzen, die seit Jahren den Süden Israels mit Raketen beschießt. Der Kibbuz, aus dem Alon Gat stammt, liegt direkt an der Grenze zu Gaza. Er kennt die Menschen dort, hat Geld gespendet für arabische Arbeiter, hat sie mit Nahrungsmitteln versorgt, wenn Not am Mann war. Am Wochenende des Hamas-Überfalls habe er feiern wollen, sagt er. Es sollte eine fröhliche Familienfeier werden. Seine Schwester war aus Indien gekommen. Am Abend des 6. Oktober hatten sie das Freudenfest begangen. "Dann sind wir ins Bett gegangen", erzählt Alon Gat. "Um 6.49 Uhr am Morgen ging dann der Alarm los. Wir sind aufgestanden und sofort in den Schutzraum gegangen."

Vier Stunden verharrt die Familie von Alon Gat in ihrem Schutzraum. Dann wird die Haustür aufgebrochen. Die Terroristen dringen in das Haus seiner Familie ein. Alon Gat erzählt: "Als ich begriffen habe, dass die Terroristen in unserem Haus waren, habe ich die Glühbirnen rausgedreht, damit es dunkel war. Ich habe versucht, Geffen zu verstecken. Sie hat geweint. Wir haben versucht, sie zu beruhigen. Wir wollten versuchen, sie unter dem Bett zu verstecken, aber da war nicht genug Platz. Wir haben sie dann mit einer Decke zugedeckt, und ich habe mich vor die Tür des Schutzraumes gestellt, um meine Tochter und meine Frau zu beschützen. Ich stand im Türrahmen, als der erste Terrorist kam."

Dann wird Alon Gat von zwei Terroristen gefesselt und in ein Auto geschleift. "Sie haben mich die ganze Zeit geschlagen", erinnert er sich. Zuerst habe er gedacht, seine Frau und seine Tochter seien in Sicherheit. Doch die Terroristen finden sie, werfen die beiden zu Alon auf den Rücksitz. Dann fahren sie los. Richtung Gaza.

Kurz vor der Grenze muss das Auto plötzlich anhalten. Alon und seine Frau Yarden reißen die Türen auf, springen mit ihrer kleinen Tochter aus dem Auto, rennen los. Alon gelingt es, sich von seinen Fesseln zu befreien. Er hat nur noch einen Gedanken: Im nahe gelegenen Wald ein Versteck für seine Familie finden. Doch die Terroristen eröffnen das Feuer, schießen auf die Familie. Dann fasst Yarden einen Entschluss: Sie reicht Alon die Tochter, die sie auf dem Arm trägt. Sie weiß: Er kann schneller laufen. Sie will, dass ihr Mann und die kleine Geffen in Sicherheit sind. Auch sie versucht zu fliehen, doch das gelingt ihr nicht. Sie wird zur Geisel der Hamas. 50 Tage lang.

Alon Gat findet unterdessen ein Erdloch, in dem er sich mit seiner Tochter verstecken kann. Acht Stunden. Geffen sei ganz ruhig gewesen, erzählt er bei Markus Lanz. Nur einmal habe sie gesagt: "Blöd, dass wir kein Wasser mitgenommen haben."

Als es dunkel ist, macht sich Alon Gat mit seiner Tochter auf den Weg zurück in den Kibbuz. Acht Kilometer. Alon hat keine Schuhe, er muss barfuß laufen. Unterwegs findet er ein Paar Socken, die vermutlich andere Geiseln verloren haben. Als er am Kibbuz ankommt, hört er: Die Terroristen sind noch da, schießen noch. Am Morgen des nächsten Tages kann er endlich sein Dorf betreten. Er erkennt es nicht mehr wieder. Es ist völlig verwüstet.

"Stellen Sie sich vor: Sie sind zu Hause, dann hören Sie Raketen, dann kommen Terroristen, dringen in Ihr Haus ein, töten Ihre Eltern. Das war die Situation am 7. Oktober", erzählt Alon Gat. "Ich habe das alles mit meinen eigenen Augen gesehen. Ich sah den Hass. Ich sah das Böse."

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Alons Frau Yarden gehört zu den Geiseln, die nach Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas nach gut anderthalb Monaten freigekommen sind. "Ich habe Yarden wiedergesehen, zusammen mit hundert anderen Menschen, lebend. Nachdem sie misshandelt, vergewaltigt und gefoltert worden waren. Sie waren nicht mehr sie selbst", erzählt Alon Gat. "Ich habe meine Frau zurück und Geffen ihre Mutter. Doch das hätte ich mir auch für die anderen Geiseln gewünscht. Auch für meine Schwester."

"Kein normales Leben mehr"

Ob man nach solchen Erfahrungen noch so etwas wie ein normales Leben führen könne, fragt Markus Lanz Alon Gat am Ende seines Gesprächs. Er antwortet: "Für mich gibt es seit mehr als einem Jahr kein normales Leben mehr. Denn dieser Albtraum geht weiter. Wie soll ich ein normales Leben führen, wenn meine Freunde, meine Nachbarn, Menschen aus meinem Kibbuz noch immer Geiseln der Hamas sind?" Seine Forderung: "Wir müssen unbedingt diese unschuldigen Menschen befreien. Dann müssen wir diese Terroristen loswerden und ein besseres Leben in der Region aufbauen. Und dann können wir zurückkehren in ein normales Leben."

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