
Seit Dienstag ist es amtlich: Friedrich Merz wird Kanzlerkandidat der Union. In der ZDF-Talkshow Markus Lanz erklärt SPD-Chef Klingbeil, was er davon hält. Und er fordert seinen Parteifreund und Kanzler Scholz auf, "raus aus der Moderationsrolle " zu kommen.
Plötzlich ging es ganz schnell: Am Sonntagabend sagt NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst in der ARD-Talkshow Caren Miosga, er werde 2025 nicht als Unions-Kanzlerkandidat zur Verfügung stehen. Am Montag nimmt er sich offiziell aus dem Rennen. Am Dienstag erklärt in der bayerischen Vertretung in Berlin auch Markus Söder seinen Verzicht, CDU-Chef Friedrich Merz wird der Kanzlerkandidat der Union. Wenig später erklärt SPD-Chef Lars Klingbeil bei Markus Lanz im ZDF, was er von der Entscheidung hält.
"Die Entscheidung war erwartbar", sagt Klingbeil dort. Und: "Mich hätten alle Szenarien gewundert, in denen am Ende nicht Friedrich Merz als Kanzlerkandidat der Union auftaucht." Für die SPD wäre der gefährlichste Gegner Hendrik Wüst gewesen, sagt Klingbeil. "Er verkörpert so ein bisschen diesen Raum, den Friedrich Merz und Markus Söder nicht einnehmen." Wüst sei ein Vertreter der ehemaligen Merkel-CDU. Unter Parteichef Merz sei die CDU nach rechts gerückt.
"Kämpfe für Scholz"
Nun sei es an der SPD, auch die CDU-Wähler für sich zu gewinnen, die mit dem neuen Kurs der Partei nicht einverstanden seien. Klingbeil weiß: Das wird schwer. Denn die letzten Umfragen zeigen, dass es der SPD offensichtlich nicht einmal gelingt, einen Teil der ehemaligen SPD-Wähler zu halten. Dennoch gibt er sich zuversichtlich: "Wir wollen die Bundestagswahlen gewinnen mit Menschen, die in der politischen Mitte ihre Wahlentscheidung treffen." Klingbeil sieht einen Wahlkampf voraus, "der ganz unterschiedliche Polarisierungen in der Mitte des Parteiensystems möglich macht." Wie der SPD-Vorsitzende betont, haben SPD und Union verschiedene Ansichten in den Bereichen Rente, Arbeitsplatzschaffung und Migration.
Trotz des sozialdemokratischen Kanzlers nehmen viele die SPD nicht als treibende Kraft in der Regierungskoalition wahr. Lanz spricht Klingbeil darauf an und weist darauf hin, dass Union und Grüne schon einen Kanzlerkandidaten hätten - im Gegensatz zur SPD. Klingbeil sagt daraufhin: "Wir haben sogar einen Kanzler." Und er betont: Olaf Scholz wird auch bei der Bundestagswahl 2025 Kanzlerkandidat der SPD werden. Dafür kämpfe er.
Mehr Zusammenarbeit auf den letzten Metern
Jetzt gehe es darum, wie sich die Sozialdemokraten programmatisch, strategisch und organisatorisch aufstellen. Seine Verpflichtung als Parteivorsitzender sei, den Sieg bei der Bundestagswahl zu organisieren. "Und da habe ich eine Erwartung an alle, die mithelfen, und da habe ich auch eine Erwartung an den Bundeskanzler: Dass man jetzt mit einer anderen Performance, mit einer Klarheit bei den Themen, mit dem Raus aus der Moderationsrolle dieser Regierung und dem Zeigen, dass man diese Wahl gewinnen will, dass wir das gemeinsam dann auch schaffen, diesen Wahlkampf zu gewinnen." Das Ziel ist klar, wenn es auch an der Formulierung noch ein wenig zu arbeiten gibt.
Klingbeil will, wie er sagt, vor allem erreichen, dass die Ampel auf den letzten Metern besser zusammenarbeitet. So habe er am Dienstagmorgen FDP-Vorschläge über die Verwendung der Subventionen gelesen, die nach der Verschiebung des Baus einer Chipfabrik von Intel in Sachsen-Anhalt frei geworden sind. Diese Vorschläge seien bei X aufgetaucht, ärgert sich Klingbeil. "So was klärt man doch nicht über Twitter", sagt er. "So was macht man, indem man sich hinsetzt und die Sachen miteinander klärt. Und da ist viel zu viel Streit gewesen. Das habe ich auch öffentlich zigmal kritisiert. Da hätte ich mir eine andere Performance gewünscht." Klingbeils Ziel: "Die SPD muss ausstrahlen."
"Wie retten Sie VW?"
Doch offenbar ist nicht nur die Außendarstellung ein Problem der Ampel. In der Wirtschaft droht derzeit bei Volkswagen der Verlust zahlreicher Arbeitsplätze. Gerade in diesem Punkt hätte die Bundesregierung schon lange tätig werden müssen, mein Daniel Friedrich Sturm, der das Hauptstadtbüro des "Tagesspiegel" leitet. Seiner Ansicht nach hätte wenige Tage nach der Ankündigung von Werkschließungen bei VW ein Autogipfel mit Bundeskanzler Scholz stattfinden müssen.
Und hier zeigt sich, wie ernst es Klingbeil mit der neuen Performance seiner Partei wirklich ist. "Wie retten Sie VW?", will der Moderator wissen. Man müsse jetzt erstmal abwarten, antwortet Klingbeil. Noch seien die Gespräche mit den Betriebsräten und dem Arbeitgeber nicht zu Ende. Die SPD habe sich mit Betriebsräten getroffen, und für ihn, Klingbeil, kämen Werkschließungen nicht infrage. Er setze vielmehr darauf, dass Elektromobilität wieder gefördert werde, auf einen schnellen Ausbau der Lade-Infrastruktur und auf ein Debattenende. "Das Falscheste, was man tun kann ist, die Elektromobilität infrage zu stellen. Wir brauchen Rahmenbedingungen in den Unternehmen, die ermöglichen, dass sie funktionieren."
Da dürfte dann ein neuer Streit in der Ampelkoalition programmiert sein. Denn dass die FDP in diesem Bereich eine andere Meinung hat, ist bekannt.