Ukraine-Krieg: Merz und Macron drohen Moskau mit neuen Sanktionen

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Es ist ein Novum in drei Jahren Ukraine-Krieg: Die Staats- und Regierungschefs der vier wichtigsten europäischen Partner kommen gemeinsam nach Kiew - mit einer klaren Botschaft.

Bundeskanzler Friedrich Merz und Frankreichs Präsident Macron haben Russland mit weitreichenden Konsequenzen gedroht, falls Moskau eine 30-tägige Waffenruhe im Ukraine-Krieg ablehnen sollte. Bei einem Besuch in Kiew machen sich Merz, Macron, der britische Premierminister Keir Starmer und der polnische Regierungschef Donald Tusk für eine solche Waffenruhe stark, die eine Chance für Friedensverhandlungen eröffnen soll. Merz kündigte eine massive Verschärfung der Sanktionen an, falls sich Russland verweigern sollte. 

Merz, Macron und Starmer trafen am Morgen mit dem Zug in der ukrainischen Hauptstadt ein, wo sie gemeinsam mit Tusk mit Präsident Wolodymyr Selenskyj zusammentrafen. Selenskyj begrüßte Merz auf dem Maidan mit einer langen Umarmung. Auf dem zentralen Unabhängigkeitsplatz gedachten die Staats- und Regierungschefs der Toten des russischen Angriffskriegs. Danach kamen sie zu Beratungen zusammen. 

Es ist die erste gemeinsame Reise der Staats- und Regierungschefs der vier großen europäischen Verbündeten der Ukraine ins Kriegsgebiet. Merz ist erst seit Dienstag im Amt. Er hatte den Besuch mit einem Telefonat mit US-Präsident Donald Trump vorbereitet. Dessen Forderung nach einer Waffenruhe von 30 Tagen unterstützen die Europäer nun. 

"Wir bekräftigen unsere Unterstützung für die Forderung von Präsident Trump nach einem Friedensabkommen. Russland ist aufgefordert, die Bemühungen um einen dauerhaften Frieden nicht länger zu behindern", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung, die sie auf dem Weg nach Kiew veröffentlichten. 

Moskau reagiert gelassen - und stellt Bedingungen

Trump hat Russland bereits neue Sanktionen angedroht, sollte sich das Land einer Waffenruhe verweigern. In Kiew stellte auch Merz weitreichende Folgen in Aussicht, falls Moskau eine 30-tägige Feuerpause und anschließende Friedensverhandlungen ablehnen sollte. "Es wird dann eine massive Verschärfung der Sanktionen geben und es wird weiter massive Hilfe für die Ukraine geben. Politisch ohnehin, finanzielle Hilfe, aber auch militärische", sagte der CDU-Chef der "Bild". 

Macron schrieb auf der Plattform X: "Ein gerechter und dauerhafter Frieden beginnt mit einem vollständigen und bedingungslosen Waffenstillstand." Wenn Moskau das weiter behindere, werde man den Druck erhöhen, "gemeinsam, als Europäer und in enger Abstimmung mit den Vereinigten Staaten". EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schrieb: "Der Ball liegt nun bei Russland." Die EU sei bereit, weitere scharfe Sanktionen zu verhängen, falls ein Waffenstillstand gebrochen werde. 

EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas erklärte in einem Statement: "Wir schließen uns der Ukraine und den internationalen Partnern an, einschließlich der Vereinigten Staaten, und fordern einen vollständigen, bedingungslosen Waffenstillstand von mindestens 30 Tagen." Wie in der Vergangenheit sei es nun an Russland, seine Bereitschaft zu zeigen, Frieden zu schaffen. Auch Nicht-EU-Länder wie Moldawien, Nordmazedonien und Norwegen unterstützten die Erklärung.

Moskau reagierte gelassen auf neue Sanktionsdrohungen. Russland werde sich davon nicht einschüchtern lassen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow dem Staatsfernsehen in Moskau. Man stelle sich sogar schon vor, wie man die Folgen minimieren werde. "Uns mit Sanktionen Angst zu machen, läuft ins Leere." Für eine 30-tägige Feuerpause stellt Moskau Bedingungen, darunter ein Ende der westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine. 

Europa und USA ziehen erstmals wieder an einem Strang

Die USA und Europa scheinen nun erstmals seit dem Amtsantritt Trumps bei den Bemühungen um ein Ende des Krieges in der Ukraine wieder an einem Strang zu ziehen - zumindest in diesem einen Punkt. In den vergangenen Monaten hatte Trump im Alleingang versucht, den Krieg zu beenden. Bisher blieb er ohne Erfolg. Trump hatte Selenskyj massiv unter Druck gesetzt, Zugeständnisse an Putin zu machen. Die Europäer warnten dagegen vor einem Diktatfrieden.

In ihrer Erklärung machen die Europäer deutlich, dass eine Gebietsabtretung der Ukraine an Russland für sie nicht infrage komme. "Russland muss seinen illegalen Angriffskrieg beenden und die Ukraine muss in die Lage versetzt werden, sich als souveräne Nation in ihren international anerkannten Grenzen zu entwickeln, auch für kommende Generationen."

Sie sichern der Ukraine auch weitere militärische Hilfe zu, um der "andauernden barbarischen und völkerrechtswidrigen Invasion" Russlands standzuhalten. "Wir werden unsere Unterstützung für die Ukraine weiter ausbauen. Solange Russland einem dauerhaften Waffenstillstand nicht zustimmt, werden wir den Druck auf Russlands Kriegsmaschine weiter erhöhen."

Merz bereitete Besuch bei Telefonat mit Trump vor

Merz hatte am Donnerstag sein erstes Telefonat mit US-Präsident Trump geführt. Der Kanzler habe den amerikanischen Präsidenten über die gemeinsame Erklärung informiert, und der habe wohlwollend darauf reagiert, hieß es anschließend aus Merz' Umfeld. Trump verschärfte anschließend auf dem Portal Truth Social den Ton gegenüber dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und drohte mit Sanktionen, falls Russland sich einer Waffenruhe verweigere. 

Merz schloss sich während seines Brüssel-Besuchs am Freitag der Sanktionsdrohung an. "Der Ball liegt jetzt in Moskau, nirgendwo anders", sagte er. Zum Zeitplan für eine Waffenruhe fügte er hinzu: "Ich habe die große Hoffnung, dass es über dieses Wochenende eine Verabredung gibt für einen Waffenstillstand in der Ukraine."

Ukraine erwartet deutsche Zusage für neue Waffenlieferungen

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, rechnet damit, dass Merz der Ukraine bei dem Besuch neue Waffenlieferungen zusagen wird. "Ich bin mir sicher", sagte der Botschafter auf eine entsprechende Frage in Kiew. Details wollte er nicht nennen. Die neue Bundesregierung will deutsche Waffenlieferungen in die Ukraine wieder größtenteils geheim halten, wie Freitagabend aus Regierungskreisen verlautete.