Ideen gibt es viele, wie die deutsche Wirtschaft wieder in Schwung gebracht werden soll. Bundeskanzler Merz rechnet mittelfristig mit einem Wachstum von zwei Prozent. Doch viele Ökonomen sind skeptisch.
Bundeskanzler Friedrich Merz hat ehrgeizige Pläne: Vom "Wohlstand für alle" war in seiner ersten Regierungserklärung die Rede und vom Kampf gegen Rezession und Wachstumsschwäche. Deutschland könne zur "Wachstumslokomotive" werden, so der CDU-Politiker.
Und tatsächlich: Zuletzt konnten sich viele Industriebetriebe zwar wieder über mehr Bestellungen freuen. Es wurde mehr produziert und mehr Waren ins Ausland exportiert. Aber im Prinzip hat sich an der wirtschaftlichen Lage seit mehr als zwei Jahren kaum etwas geändert. Das Wirtschaftswachstum hier in Deutschland dümpelt vor sich hin.
Deutschland ist Schlusslicht beim Wirtschaftswachstum
Gründe dafür gibt es viele: Die hohen Energiepreise spielen eine wichtige Rolle. Es gibt mehr Konkurrenz auf wichtigen Absatzmärkten. Der Wandel in der Industrie beschleunigt sich. Energieintensive Branchen reduzierten ihre Produktion und die Automobilbranche setzt ihren Abwärtstrend fort.
Und hausgemachte Probleme kommen noch hinzu. Dazu gehört etwa eine marode Infrastruktur im Land, die schleppende Digitalisierung, eine lähmende Bürokratie und nicht zuletzt fehlende Innovationsanreize in vielen Branchen.
Die Prognosen für Deutschland sind düster. Die Wirtschaft in Deutschland werde 2025 so schwach wachsen wie in keinem anderen entwickelten Staat, so die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Skeptisch sind auch die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute. Sie haben vor kurzem ihre Wachstumserwartungen für das laufende Jahr noch einmal gesenkt. In ihrer Analyse gehen sie nicht mehr von 0,8 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus, sondern nur noch von 0,1 Prozent Wachstum.
"Zwei Prozent Wachstum sind unrealistisch"
Die neue Bundesregierung will da nun gegensteuern."Das Wirtschaftswachstum in Deutschland soll wieder ansteigen, mittelfristig auf jährlich mindestens zwei Prozent", so Bundeskanzler Friedrich Merz im Wahlkampf. "Unser Ziel ist es, das Potenzialwachstum wieder auf deutlich über ein Prozent zu erhöhen", steht im Koalitionsvertrag.
Viele Ökonominnen und Ökonomen sind skeptisch. "Zwei Prozent Wirtschaftswachstum wird es in den kommenden Jahren kaum geben", so der Ökonom Carsten Brzeski von der ING Bank im Gespräch mit tagesschau.de. Und er verweist auf die Produktivität in vielen Betrieben. Es fehle zudem an Investitionen aus dem öffentlichen Bereich und aus der privaten Wirtschaft.
Und dann sind da noch die Folgen des demografischen Wandels. In den kommenden Jahren werden die geburtenstarken Jahrgänge, die sogenannten Babyboomer, in Rente gehen. "Sie werden eine Lücke auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen", so Brzeski. Aus dem Mangel an Fach- und Führungskräften ist längst ein Mangel an Arbeitskräften geworden - und das hat Auswirkungen auf die Produktion und auf die gesamte Dienstleistungsbranche im Land.
Auf die Rahmenbedingungen kommt es an
Auf den ersten Blick sieht die Lage in anderen Staaten deutlich besser aus. Während 2024 die Wirtschaftsleistung in Deutschland nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes um 0,2 Prozent sank, stieg sie in den USA um rund 2,8 Prozent. Das geht aus den Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF) hervor. Im China habe das Wachstum im gleichen Zeitraum rund fünf Prozent betragen.
Doch solche Vergleiche zu ziehen sei schwierig, meint der Ökonom Brzeski. "Zu unterschiedlich sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen." Auch in Deutschland habe es nach wirtschaftlich schwierigen Zeiten wie etwa der Finanzkrise 2008/2009 oder nach der Corona-Pandemie wieder stärkere Wachstumszahlen gegeben. "Doch wir haben zuvor auch drastische Einbrüche erlebt."
Lichtblicke am Horizont
Von den geplanten Investitionen in Verteidigung, Klimaschutz und Infrastruktur werden positive Impulse ausgehen, glauben viele Ökonomen. In diesen Bereichen werden Arbeitsplätze geschaffen. Es wird Wachstum geben. Aber man dürfe sich das nicht so vorstellen, dass ein Hebel umgelegt werden kann und dann ist die Welt wieder in Ordnung. "Bis Maßnahmen wirken, können Monate ins Land gehen", betont Brzeski von der ING. "Die Frage ist auch, wieviel kommt bei den einzelnen Unternehmen an?"
Prognosen abzugeben ist schwer. Viel hängt davon ab, wie es in Sachen Zollstreitigkeiten mit den USA weitergehen wird und in welchem Zeitraum die neue Bundesregierung ihre Vorhaben umsetzten kann.