
Der Machtkampf in Venezuela wird weiterhin mit Gewalt geführt. Machthaber Maduro will jedwede Opposition unterdrücken und fordert Bürger auf, politische Gegner zu verraten. Den Gegenkandidaten lässt er dagegen direkt vorladen. Der muss sich wegen "Verbreitung falscher Informationen" rechtfertigen.
Der venezolanische Diktator Nicolas Maduro geht nach der als sicher manipulierten Wiederwahl immer radikaler gegen die eigene Bevölkerung vor. In den Armenvierteln von Caracas, die einst Hochburgen der Regierungsunterstützung waren, tragen Sicherheitskräfte Maschinengewehre, um Proteste abzuschrecken. Das venezolanische Regime drängt die Menschen dazu, Dissidenten zu verraten, während sich Oppositionsaktivisten verstecken oder das Land verlassen. Rund 2000 Regierungskritiker sitzen wegen Anklagen, darunter Terrorismus, im Gefängnis und sehen sich Haftstrafen von bis zu 25 Jahren harter Arbeit in sogenannten "Umerziehungslagern" gegenüber.
Maduro agiert zügig, um die Zivilgesellschaft und politische Opposition zu zerschlagen, seit er den Sieg bei einer Wahl am 28. Juli beanspruchte, die die Opposition, unter Berufung auf Beweise aus Wahllokalen, als klar verloren ansieht. Dabei beseitigt Maduro die letzten Reste der bürgerlichen Freiheiten, die Venezuela von Diktaturen unterschieden hatten, mit denen es sich in den vergangenen Jahren verbündet hat, wie Kuba, Nicaragua und Russland.
"Er beschuldigt einfach jeden, ein Faschist zu sein, und sperrt sie ein", sagte Carlos Correa, Leiter der venezolanischen Gruppe für Meinungsfreiheit Public Space. "Der Ton der Politik ist jetzt radikaler, härter und konfrontativer als je zuvor." Maduros Anspruch auf den Sieg löste eine Welle von Protesten im ganzen Land aus und gab einigen Venezolanern Hoffnung, dass Beweise für seine Niederlage ihn zwingen könnten, die Macht abzugeben. Doch das anschließende Durchgreifen hat die Erwartungen auf Veränderung zunichtegemacht und die Befürchtungen geweckt, dass das Land nie wieder die langgehegten demokratischen Normen wiederherstellen wird.
Oberstes Gericht bestätigt Maduros umstrittenen Sieg
Maduros handverlesenes Oberstes Gericht bestätigte am Donnerstag den Präsidenten als Wahlsieger, lieferte jedoch keine Beweise. Das Fehlen detaillierter Wahlergebnisse sei auf einen "massiven Cyberangriff auf das Wahlsystem" zurückzuführen, erklärte die Gerichtspräsidentin Caryslia Rodríguez. Das Urteil wurde von Oppositionsführern und ausländischen Regierungen, die das Regime kritisieren, weitgehend abgelehnt. Andrés Villavicencio, der als Wahlbeobachter der Opposition freiwillig tätig war, sagte, er erinnere sich an den freudigen Moment im letzten Monat, als er vor jubelnden Nachbarn stand und die Ergebnisse ihres Wahllokals verlas: Es war ein überwältigender Sieg für seinen Kandidaten Edmundo González über Maduro. Doch die Euphorie des 30-jährigen Anwalts verwandelte sich bald in Panik, als Maduros Sicherheitskräfte begannen, Aktivisten zu verhaften, die die Behauptungen des Präsidenten, die Wahl gewonnen zu haben, anfochten.
Auch die USA und zehn lateinamerikanische Länder weisen die Bestätigung des Wahlsiegs Maduros durch das Oberste Gericht des Landes zurück. Die elf Länder erklärten in einer gemeinsamen Stellungnahme, dass sie die Entscheidung des Gerichts "kategorisch ablehnen". Venezuelas Außenminister Yván Gil nannte dies in einer Erklärung einen "inakzeptablen Akt der Einmischung". Unterdessen teilte die venezolanische Staatsanwaltschaft mit, in Kürze Oppositionskandidat Edmundo González Urrutia einzubestellen.
Nach Angaben von Generalstaatsanwalt Tarek William Saab, einem Verbündeten Maduros, soll González unter anderem Angaben zu einer Website machen, auf der der mutmaßliche Sieg der Opposition veröffentlicht worden war. Der 74-jährige Ex-Diplomat werde seinen "Ungehorsam" gegenüber staatlichen Behörden erklären müssen. González wurde seit dem 30. Juli, als eine Demonstration der Opposition anführte, nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen.
Ermittlungen gegen Oppositionskandidaten
Die Staatsanwaltschaft hatte am 6. August Ermittlungen unter anderem wegen "Amtsanmaßung, Verbreitung falscher Informationen, Anstiftung zum Ungehorsam gegen Gesetze, Anstiftung zum Aufstand und Bildung einer kriminellen Vereinigung" gegen González und Oppositionsführerin María Corina Machado eingeleitet.
Die Erklärung wurde von den USA sowie Argentinien, Costa Rica, Chile, der Dominikanischen Republik, Ecuador, Guatemala, Panama, Paraguay, Peru und Uruguay unterzeichnet. Sie prangerten eine "mangelnde Unabhängigkeit und Unparteilichkeit" des Gerichts an und sprachen von einer nur "angeblichen Überprüfung" des Wahlergebnisses.
Die USA kritisierten, das Urteil des Obersten Gerichts in Venezuela entbehre "jeglicher Glaubwürdigkeit". Es deute stattdessen alles auf einen Wahlsieg des Oppositionskandidaten González hin, erklärte US-Außenamtssprecher Vedant Patel. "Der Wille des venezolanischen Volkes muss respektiert werden", forderte er.
USA: Venezuela isoliert sich weiter
Während Maduros Durchgreifen sich entfaltet, warnen US-Beamte vor neuen Strafmaßnahmen gegen venezolanische Führer, die an Wahlbetrug beteiligt sind und Krieg gegen die Zivilgesellschaft führen. "Diese Aktion wird Maduro nur weiter von der globalen Gemeinschaft isolieren", sagte Brian Nichols, der oberste Gesandte des US-Außenministeriums für die westliche Hemisphäre. Die USA hatten Anfang dieses Jahres versucht, Maduro zu fairen Wahlen zu bewegen, im Austausch für die Aufhebung von Sanktionen gegen die ölreiche Wirtschaft Venezuelas.
In geheimen Gesprächen in Katar 2023 diskutierten die USA und Maduro über eine mögliche Amnestie für den Präsidenten vor strafrechtlichen Anklagen, aber er lehnte das Angebot ab, weil er nicht von der Macht zurücktreten wollte, sagten mit den Verhandlungen vertraute Personen. Das Weiße Haus sagt, es habe seit der Wahl keine Angebote an Maduro gemacht.
"Wir haben keine Beweise gesehen", sagte auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell mit Blick auf das von den Behörden verkündete Wahlergebnis. "Solange wir kein verifizierbares Ergebnis sehen, werden wir es nicht anerkennen."
Bei den Protesten infolge der umstrittenen Wahl wurden nach Angaben der venezolanischen Generalstaatsanwaltschaft bislang 27 Menschen getötet, mehr als 190 weitere Menschen wurden verletzt. Die Behörden nahmen den offiziellen Angaben zufolge 2400 Demonstranten fest.