Morgen|stern: Tausend Seiten Sprengstoff – die Lage am Morgen

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Es gibt Details aus dem AfD-Gutachten des Verfassungsschutzes, Neues im Fall Maddie und wir warten weiter auf weiße Rauchzeichen in Rom. Was heute noch wichtig ist.

Liebe Leserinnen und Leser,

seinen umstrittenen Migrationsantrag brachte Friedrich Merz mit den Stimmen der AfD durch. Jetzt erweist sich beides als Bumerang für den neuen Kanzler. Vor allem die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch setzt die neue Regierung unter Druck. Geleakte Auszüge aus dem Gutachten des Verfassungsschutzes geben detaillierte Einblicke.

AfD adé?

Eigentlich sollte das Papier, in dem der Verfassungsschutz penibel aufdröselt, warum die AfD als rechtsextremistisch einzustufen ist, nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Doch nun kursiert der Inhalt von 18 Seiten des 1108-seitigen Berichts und der hat es in sich. Die Beispiele und Zitate von AfD-Politikern belegen das Bild einer menschenverachtenden, demokratiefeindlichen Partei, die mit Hochgeschwindigkeit immer weiter in eine rechte Einbahnstraße hineinrauscht. Dass es so weit kommen konnte, liegt laut den Verfassungsschützern unter anderem auch daran, dass sich liberalkonservative Mitglieder nach und nach zurückgezogen und das Feld den Extremen überlassen haben.

Für Bundeskanzler Friedrich Merz drängt sich jetzt eine alte Frage auf: Wie umgehen mit dieser Partei? Immerhin sitzt die AfD seit gut zehn Jahren in sämtlichen Parlamenten, stellt die größte Opposition und derzeit zweitstärkste Fraktion im Bundestag. Sie gilt als demokratiefeindlich und wurde doch demokratisch gewählt. Dieser Wählerwille lässt sich nicht verbieten. Aber vielleicht die Partei?

Die Grünen drängen darauf. Union und SPD sind skeptisch. Der Kanzler hält sich mit einer Einschätzung zurück. Nur so viel: Mittlerweile sei es für ihn "unvorstellbar, dass Abgeordnete im Deutschen Bundestag AfD-Abgeordnete zu Ausschussvorsitzenden wählen."

Bevor sich die Groko festlegt, wie sie mit der Partei umzugehen gedenkt, muss sie die Analyse des Verfassungsschutzes selbst analysieren. Erst danach kann sie ein Verbotsverfahren beantragen. Die endgültige Entscheidung trifft dann das Verfassungsgericht. Dafür müsste der AfD nachgewiesen werden, dass sie aggressiv-kämpferisch gegen die Verfassung vorgeht. Das dürfte dauern.

Merz eckt mit seinen Grenzkontrollen an

Strengere Asylregeln, damit hat die Union Wahlkampf gemacht und ihn auch gewonnen. Doch mit seinem Kurs stößt der neue Kanzler nun an Grenzen, um genau zu sein, an die polnischen. Bei seinem ersten Auslandsbesuch kassierte Merz einen Rüffel von Polens Ministerpräsident Donald Tusk. Von den geplanten Grenzkontrollen hält er nämlich nichts. Polen sieht nicht ein, warum es als Auffanglager für die Abgewiesenen aus Deutschland herhalten sollte.

Zu Erinnerung: Im Wahlkampf hatte Merz angekündigt, als Kanzler alle Grenzen dauerhaft kontrollieren und illegal Einreisende zurückweisen zu lassen – selbst wenn der Schutzanspruch gilt. Laut dem neuen Bundesinnenminister Alexander Dobrindt wird es wohl nicht ganz so streng. In den kommenden Wochen wird zunächst die Zahl der Bundespolizisten an den deutschen Grenzen erhöht, sowohl an Autobahnen als auch in Ortschaften. Nicht jeder Asylsuchende, der dort angetroffen wird, soll sofort zurückgewiesen werden. Aber ein Asylgesuch schützt künftig auch nicht mehr automatisch vor der Abschiebung.

Notiz für das Lehrbuch des neuen Kanzlers: Migrationspolitik mit europäischen Partnern abstimmen – so wie es auch im Koalitionsvertrag mit der SPD abgesprochen wurde.

Maddie auf der Spur

Die Staatsanwaltschaft ist sich sicher, mit Christian B. den Entführer von Maddie McCann gefunden zu haben. Allein die Beweise reichen bisher nicht aus. Ein britischer Medienbericht bringt nun neue Indizien ans Licht und die haben es in sich: Bei einer Razzia fanden die Ermittler in dem Grab des Hundes von B. verstörende Bilder, Chats mit Pädophilen und Kinderspielzeug. Brisant ist das alles deshalb, weil die Ermittler die Indizien bereits 2026 aufspürtenen und B. keine Kinder hat.

Noch gilt die Unschuldsvermutung, aber der Verdacht erhärtet sich. Drängt sich noch die Frage auf, warum diese Informationen so lange zurückgehalten wurden und was sie für den Fall bedeuten. Viel Zeit bleibt den Ermittlern nämlich nicht mehr.

Was heute noch passiert

  • Warten auf den Weißen Rauch: Heute geht das Konklave im Vatikan weiter. Der erste Wahldurchgang am gestrigen Abend blieb erwartungsgemäß ohne Ergebnis beziehungsweise ohne Franziskus-Nachfolger. Heute um 10 Uhr werden die Kardinäle erneut zur Wahlurne schreiten. Meine Kollegen halten Sie in unserem Liveblog über weitere Rauchzeichen auf dem Laufenden.
  • Bundeskanzler Friedrich Merz telefoniert mit US-Präsident Donald Trump. Was ist von dem Gespräch zu erwarten? Antworten hören Sie im "5-Minuten-Talk" der Kollegen aus Berlin.
  • Russland beginnt heute seine dreitägige Feuerpause in der Ukraine. Präsident Selenskyj würde aber gerne 30 Tage daraus machen.
  • Die beliebtesten Babynamen werden vorgestellt.
  • Und heute vor 80 Jahren wurde der Zweite Weltkrieg offiziell beendet. Überall in Europa finden Gedenkveranstaltungen statt.

Passend dazu möchte ich Ihnen noch einen Kriminalfall ans Herz legen, über den mein Kollege Leon Berent berichtet: Der Urenkel eines NS-Opfers versucht herauszufinden, wo das Vermögen seines Urgroßvaters geblieben ist. Es geht immerhin um 400.000 Euro. Doch die zuständige Bank verweigert. Rechtlich kommt sie damit durch, weil sämtliche Ansprüche auf das Erbe seit den 1970er Jahren verjährt sind. Doch der Kläger will nicht aufgeben. Die ganze Geschichte lesen Sie hier:

Viel Spaß bei der Lektüre und einen schönen Donnerstag wünscht Ihnen

Christine Leitner
(Nachrichtenredakteurin)