
Unionschef Merz erklärt die Migrationsgespräche mit der Bundesregierung für gescheitert - das habe er von Anfang an so geplant, sagt Kanzler Scholz. Ist das so? Bei Lanz laviert einer der CDU-Verhandler lange um eine Antwort herum.
Es war ein kleiner Schock. Am Dienstagnachmittag hat die Union den gemeinsamen Migrationsgipfel mit der Ampel verlassen. So hat es CDU-Chef Friedrich Merz auf einer Pressekonferenz dargestellt. Einen Tag später sieht die Situation völlig anders aus. Am Mittwochmorgen streckt Bundeskanzler Olaf Scholz die Hand für weitere Migrationsgespräche mit der Union aus. Am Mittwochabend erklärt auch der Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, seine Bereitschaft für weitere Gespräche. In der ZDF-Talkshow Markus Lanz fordert er jedoch ein Entgegenkommen der Ampelkoalition.
Der ehemalige Grünen-Politiker Jürgen Trittin erklärt im Laufe der Sendung, ihn erinnere das Verhalten der Union an einen berühmt gewordenen Satz des früheren SPD-Politikers Herbert Wehner: "Wer rausgeht, muss auch wieder reinkommen." Es dauert lange und erfordert viel Geschick von Markus Lanz, der am Mittwochabend in Höchstform ist, bis Thorsten Frei endlich anbietet, wieder reinzukommen. Zunächst muss er erklären, warum er eigentlich rausgegangen ist. Und die Erklärung fällt dem CDU-Politiker sichtlich schwer. So braucht Frei eine halbe Ewigkeit, um die einfache Frage von Markus Lanz zu beantworten: "Gab es einen Vorsatz, irgendwann aufzustehen?"
Die Frage hätte Frei mit einem einfachen Ja oder Nein beantworten können. Das tut er aber nicht. Stattdessen hält er einen sehr ausschweifenden Vortrag, den Lanz irgendwann mit der Wiederholung seiner Frage abzukürzen versucht. Dass die Mehrheit der Deutschen eine härtere Migrationspolitik wolle; Dass die Union die Ampelkoalition im Bundestag unterstütze, oder auch nicht; Dass der Migrationsgipfel ein Format gewesen sei, bei dem etwas großes herauskommen sollte; Wie man vor einer Woche erst zusammengekommen sei und sich dann vertagt habe; Dass man das Bundesaufnahmeprogramm für geflüchtete Menschen aus Afghanistan hätte streichen können und das die Bundesregierung dazu nicht bereit gewesen sei. Und so weiter und so weiter. Und dann kommt er endlich auf den Punkt: "Wir sind so aufgestanden wie alle andern auch. Dieses Gespräch war auf 15 bis 17 Uhr terminiert, und etwa um 17 Uhr haben wir gemeinsam erkannt, dass wir keine Gemeinsamkeiten finden, die in diesem Format tatsächlich einen Schritt nach vorne bedeuten. Wir haben zwei Stunden miteinander gesprochen, um dann festzustellen, dass das, was die Ampel angeboten hat, nicht das ist, was wir eine Woche zuvor besprochen haben."
Union besteh auf Maximalforderungen
Zur Erinnerung: Die Union will Migranten, die aus Drittländern kommen, an der Grenze zurückweisen, auch wenn sie Asyl beantragen. Die Bundesregierung sieht rechtliche Probleme, Innenministerin Faeser schlägt vor, die Bundespolizei solle in Zukunft an der Grenze prüfen, ob bei einem Schutzgesuch ein anderer EU-Staat zuständig ist. Das käme den Wünschen der Union nahe, die jedoch auf ihren Maximalforderungen besteht. Die Union habe die Verhandlungen nicht abgebrochen, sagt Frei bei Lanz. "Wir sind gemeinsam zu dem Ergebnis gekommen, und wir haben gesagt, wir brauchen keine weitere Zusammenkunft."
Wer das sei, dieses "Wir", will Lanz wissen. Nach einiger Zeit erklärt Frei: die Unionsteilnehmer. Also doch ein Abbruch, wie CDU-Chef Merz am Dienstag erklärt hatte? Nein, kein Abbruch, das Treffen sei zu Ende gewesen, und es habe keine Einigung gegeben, also sei die Union gegangen. Aber alle anderen auch.
Wer das beschlossen und ob es einen Plan gegeben habe, will Lanz wissen. Nein, einen Plan habe es nicht gegeben, allerdings habe man vor dem Gipfel besprochen, unter welchen Umständen man den Gipfel verlassen wolle, sagt Frei nach mehreren Anläufen.
"Ich lerne gerade, es gab offensichtlich doch eine Strategie, wann Sie aufstehen und gehen", schlussfolgert Lanz.
"Nein, gab es nicht", antwortet Frei. Stattdessen habe man festgestellt, dass es ein Argumentationspapier gegeben habe, das offensichtlich von Bundesinnenministerin Faeser an Journalisten verteilt worden sei. "Darin stand, was man selber vorgeschlagen hat und warum der Vorschlag der Union nicht geht", so Frei weiter.
"Das ist normales politisches Geschäft", wirft Lanz ein.
Frei darauf: "Das ist keine Basis für einen Kompromiss. Aber wir würden so was nicht an Formalitäten scheitern lassen. Deswegen sind wir auch zu dem Gespräch gegangen, obwohl die Voraussetzungen nicht erfüllt worden sind."
Und weiter: "Wir haben die Gespräche abgebrochen, weil nichts erreicht werden konnte." Nun also doch ein Abbruch?
"Die Wahrnehmung ist schon krass auseinanderklaffend", sagt Lanz ein wenig erstaunt.
"Wir bleiben gesprächsfähig"
Nun könnte eigentlich die Debatte beendet sein. Doch dann lässt Thorsten Frei die Katze aus dem Sack: "Als Demokraten bleiben wir immer gesprächsfähig. Und da ist auch nichts abgeschlossen. Aber dafür muss sich die Grundlage verändern: Man muss eine Basis finden, auf der man zu gemeinsamen Ergebnissen kommen kann."
Also doch wieder gemeinsame Migrationsgespräche? Lanz will es genau wissen und hakt zur Sicherheit noch einmal nach: "Diese Gespräche sind nicht abgebrochen, sondern unterbrochen?"
Und Frei antwortet: "Aus unserer Sicht ja. Wir sind immer gesprächsbereit. Aber wir müssen eine Basis dafür finden. Wir gehen nicht unter diesen Voraussetzungen zurück. Denn unter diesen Voraussetzungen erreichen wir nichts. Man muss sich schon aufeinander zubewegen, damit man wirklich fundamentale Verbesserungen erreicht."
Wie sich die Union auf die Bundesregierung zubewegen möchte, lässt Frei offen. Da wird man wohl die nächste Talkshow abwarten müssen.